27.06.2014  Intern

„Unser reformiertes Lizenzierungsverfahren ist praxisnah, zielorientiert, transparent ...

Die Kritik an der Entscheidung des Schiedsgerichts, dem HSV Handball die Lizenz für die Saison 2014/15 unter Erfüllung einer Bedingung doch noch zu erteilen, hat viele Fans in Rage gebracht. Die zum Teil sehr harsche Kritik schlug sich insbesondere  bei Facebook und in den E-Mails nieder, die in der Geschäftsstelle der Handball-Bundesliga GmbH eingingen. Auch die Überraschung war groß, immerhin war dem HSV Handball in den Instanzen des Lizenzierungsverfahrens der Handball-Bundesliga die Lizenz von der Lizenzierungskommission, dem Gutachterausschuss und dem Präsidium versagt worden. Im Interview nimmt HBL-Geschäftsführer Holger Kaiser, der auch Mitglied der Lizenzierungskommission ist, Stellung zum Urteil des Schiedsgerichts

Herr Kaiser, wie haben Sie das Urteil des Schiedsgerichts aufgenommen?

Kaiser: Wir waren überrascht über das Urteil des Schiedsgerichts. Wir haben bis zuletzt versucht, dass die Entscheidung auf Nichterteilung der Lizenz, die ja immerhin durch die unabhängige Lizenzierungskommission, durch den Gutachterausschuss und durch das Präsidium der Liga unisono  befürwortet wird, auch vom Schiedsgericht geteilt wird. Die Entscheidungsfindung hat über acht Stunden gedauert und wurde von allen Parteien hart aber fair geführt. Jetzt ist es an uns, die Entscheidung des Schiedsgerichtes zu akzeptieren, obwohl wir zu einem anderen Ergebnis gekommen sind, hinter dem wir stehen.     

Wie beurteilen Sie die Entscheidung des Schiedsgerichtes?

Kaiser: Der Streitpunkt war klar. Es ging ausschließlich darum, ob dem HSV Handball eine Lizenz mit Bedingungen erteilt wird oder - wie es unserem Standpunkt entsprach - die Lizenz verweigert wird. Aber auch die Übereinstimmung in maßgeblichen Punkten ist eindeutig. Das Schiedsgericht kommt auch zu dem Ergebnis, dass der HSV Handball beträchtlich unterfinanziert ist und eine große  Liquiditätslücke in der Planung für die Saison 2014/15 besteht. Das Gericht kam in dieser Hinsicht beinahe auf Heller und Pfenning exakt auf die Summe, die wir zuvor errechnet haben.

Dann überrascht das Urteil doch umso mehr…

Kaiser:  Das Schiedsgericht kommt zu einer anderen Konsequenz. Die Tatsache der Unterfinanzierung, die aus unserer Sicht zwingend zu einer Nichterteilung der Lizenz geführt hätte, bewertet das Schiedsgericht konträr. Es ist der Meinung, dass wir dem HSV Handball bereits im Laufe des Lizenzierungsverfahrens die Lizenz unter Bedingungen hätten erteilt müssen. Das Schiedsgericht stellt fest, dass unsere Entscheidung richtlinienkonform, aber zu hart ausgefallen ist. Es bestimmt, dass wir einen milderen Weg wählen müssen. Geduld und Zeit haben wir dem HSV Handball ganz sicher zu Teil werden lassen.  Seit  dem 1. März hatte der Club die Gelegenheit, das Finanzloch auszugleichen. Wir haben uns intensiv mit den Verantwortlichen ausgetauscht, den Finger in die Wunde gelegt. Mehr Beratung und Hilfestellung hätten wir nicht leisten können. Nun muss der HSV Handball bis zum 1. Juli liefern, dass hätte er eigentlich bereits früher tun können. Dann hätten wir uns alle viel Aufwand und Ärger sparen können.

Was haben Sie unternommen, um auf die Resonanz auf das Urteil zu reagieren? Waren Sie überrascht von der heftigen Kritik der Fans? 

Kaiser: Nein, ich war nicht überrascht. Der Handball ist in Deutschland Volkssportsart, entsprechend groß musste die Welle sein. Zudem ist unser Sport und sein Umfeld emotional hoch aufgeladen. Die Fans nehmen großen Anteil an den Geschehnissen, mischen sich ein. Das ist bei der Nationalmannschaft so, dass ich auch in der Liga so. Im Übrigen kann ich die Kritiker verstehen, die sich in ihrem Gerechtigkeitsempfinden empfindlich verletzt fühlen. Allerdings erhält man vor Gericht - wie es so schön heißt - keine Gerechtigkeit, sondern ein Urteil. Dieses gilt es zu akzeptieren.  Im Nachgang haben wir versucht, die Schiedsgerichtentscheidung durch eine Stellungnahme nachvollziehbar und transparenter zu machen. Unser Team hat am Tag danach enorm viele E-Mails persönlich beantwortet, auch in den sozialen Medien haben wir deutlich gemacht, wo wir stehen und worin die Unterschiede zwischen Liga und Schiedsgericht bestehen. Transparenz und Information sind das Gebot der Stunde. 

Wieso kommt das Gericht zu einem anderen Urteil als das Lizenzierungsverfahren?

Kaiser: Lizenzierungskommission, Gutachterausschuss und Präsidium haben beschlossen, dem HSV Handball die Lizenz für die kommende Spielzeit nicht zu erteilen. Darüber war man sich alle Gremien einig.  Nun muss man wissen, dass das Schiedsgericht  nicht Teil des Lizenzierungsverfahrens der Handball-Bundesliga ist. Es ist ein neutrales Sportgericht, auf das sich der HSV Handball und alle anderen Clubs und die HBL vor der abgelaufenen Saison geeinigt haben, um sich einen zeitintensiven Gang vor ein Zivilgericht zu sparen. Die Möglichkeit, ein  unabhängiges Gericht anrufen zu können, ist ein hohes, schützenswertes Gut. Dies gilt auch für unser Lizenzierungsverfahren.

Wie bewerten Sie das Lizenzierungsverfahren nach dem ganzen Ärger?

Kaiser: Nach wie vor bin ich davon überzeugt, dass das Lizenzierungsverfahren das passende Instrument ist, mit dem wir mit und im Sinne aller Clubs praktikabel, transparent und zielorientiert arbeiten können. Sehen Sie, ohne das reformierte Verfahren wären wir nicht in der Lage gewesen, den Fehlbetrag in der Liquidität des HSV Handballs so genau feststellen zu können. Dies würdigt auch das Schiedsgericht, in dem es unsere Zahlen grundsätzlich bestätigt. Unser Ergebnis lag auch dem HSV Handball vor, dass was wir jetzt an Ärger und Aufwand erleben, hätten wir uns bei entsprechender Vorarbeit durch den Club sparen können. Es ist ja nicht so, dass die Granden des HSV urplötzlich mit der Situation konfrontiert wurden. Seit Mitte April gibt es intensiven persönlichen und schriftlichen Austausch mit dem Club. Wir haben frühzeitig auf die Konsequenzen hingewiesen, die durch die beträchtliche Liquiditätslücke bestehen und darauf gedrungen, diese zu schließen. Leider ist bis heute substantiell wenig passiert.    

Wie kommentieren Sie die Situation von HBW Balingen-Weilstetten und der HG Saarlouis?

Kaiser: Die Ungewissheit, in der beide Clubs in den vergangenen Wochen, bis heute schweben, ist eine schwere Belastung. Für den Ärger habe ich auch als ehemaliger Clubmanager großes Verständnis. Allerdings sind die Fristen nun einmal so, wie Sie eben sind. Auch bei anderer Konstellation wäre die Planungsunsicherheit groß gewesen. Diese belastet im Übrigen auch alle anderen 35 Clubs und auch die Kolleginnen und Kollegen der Liga-Geschäftsstelle, man denke da nur an die Saison 2014/15. Anfang Juli haben wir endlich Klarheit.