14.05.2017  2. HBL

Vier Nackenschläge sind zu viel für Konstanz

Nach einem intensiv und nickelig geführten Duell sowie einer umstrittenen frühen Roten Karte für Felix Krüger (25.) musste eine ersatzgeschwächte HSG Konstanz vor einer emotionsgeladenen Kulisse, die mehr als 1200 lautstarke HSG-Fans verbreiteten, eine bittere 26:28 (14:16)-Heimniederlage gegen den ASV Hamm-Westfalen hinnehmen, während die Gäste aus dem Ruhrpott überschwänglich den wichtigen Auswärtssieg bejubelten – ihren ersten in der laufenden Saison. Konstanz rangiert nun, nach zuletzt vier Heimsiegen in Folge, punktgleich mit Hamm und Wilhelmshaven auf dem 16. Tabellenplatz – direkt vor den vier Abstiegsplätzen.

25 Minuten waren gespielt, als die HSG Konstanz den vierten schweren Nackenschlag an diesem Abend zu verdauen hatte. Kurz vor der Partie musste der zweitbeste HSG-Torschütze Paul Kaletsch aufgrund eines grippalen Infekts passen, Simon Flockerzie war verhindert und Top-Torjäger Gregor Thomann nach langer Krankheit unter der Woche angeschlagen in die Partie gegangen. So versuchte es HSG-Cheftrainer Daniel Eblen mit dem sonst vorwiegend in der Deckung eingesetzten Michael Oehler und Felix Krüger auf Halbrechts. Beide lösten ihre Aufgaben ordentlich, vor allem Krüger hatte nach seiner Einwechslung gleich einen guten Start und traf zum 7:11 (18.). Wenige Minuten später war Konstanz auch dieser Option beraubt und im rechten Rückraum fortan nur noch mit Rechtshänder Michael Oehler besetzt. Die beiden Schiedsrichter Jan und Manuel Lier zückten nach einem harten Zweikampf und längerer Beratungspause direkt die Rote Karte bei Krügers erstem Foul. Wie viele tobende Zuschauer konnte auch Krüger diese harte Entscheidung nicht ganz nachvollziehen: „Ich habe meinen Gegenspieler an der Schulter getroffen, das sagt er mir nach dem Spiel selbst. Der Kontakt war da, aber nicht im Gesicht. Vielleicht hätten auch zwei Minuten gereicht.“

Doch wie die beiden Unparteiischen waren auch beide Mannschaften alles andere als fehlerfrei. Neben einigen umstrittenen Entscheidungen, unter denen Konstanz etwas mehr zu leiden hatte, bestand nach der Partie großer Gesprächsbedarf angesichts der vielen vergebenen freien Chancen. Siebenmeter – verworfen, freie Gegenstöße – mehrfach vergeben. Klare Einwurfmöglichkeiten von verschiedensten Positionen – ausgelassen. Es war zum Haareraufen, wie oft der Ball an Latte oder Pfosten landete und Konstanz angesichts des fehlenden Wurfglücks verzweifelte.

So strahlte am Ende bei der Pressekonferenz nur Stephan Just nach dem erlösenden ersten Sieg in der Fremde bis über beide Ohren, vergaß aber als fairer Sportsmann nicht, dem bitter enttäuschten Gegner seinen Respekt zu zollen: „Konstanz ist ein hervorragender Aufsteiger mit einer tollen Mannschaft, die jedes Spiel, wie auch heute, 60 Minuten alles gibt.“ Sein Gegenüber Daniel Eblen nickte. Dann fuhr Just fort: „Und ich bin echt beeindruckt. Hier herrscht eine hervorragende Stimmung, die Halle brennt wirklich von der ersten bis zur letzten Minute. Hut ab. Das findet man selbst bei den ganz großen Mannschaften nicht.“

 

In diesem Moment half dies den fassungslos wirkenden Gastgebern nichts. Zuvor war die fantastische, von der ersten Minute aufgepeitschte Stimmung unter den mehr als 1200 HSG-Fans ein Grund für eine wahre Energieleistung mit dezimiertem Kader. Die ersten sieben Minuten gingen zwar zunächst eindeutig an die entschlossen und konzentriert auftretenden Gäste aus Hamm. 5:1 leuchtete es zu diesem Zeitpunkt von den Anzeigetafeln – trotz ASV-Unterzahl vor dem fünften Gästetor. „Es war ein enorm hartes Kampfspiel“, stellte Gregor Thomann sichtlich niedergeschlagen danach fest. Nachdem die Westfalen Konstanz in den ersten Minuten richtiggehend „überlaufen“ hatten, wie Gästetrainer Just richtig anmerkte, so „kämpfte sich die HSG danach verdient zurück“, so der im Februar neuverpflichtete Coach. „Es war hochintensiv.“

Schon jetzt hatte Konstanz viel Pech bei Aluminium-Treffern, ließ sich davon aber nicht von der Aufholjagd abbringen und kam mit Unterstützung der frenetisch mitgehenden Fans auf zwei Tore heran (3:5), musste aber dennoch 20 Minuten meist einem Vier-Tore-Rückstand hinterherlaufen (8:12). Kapitän Fabian Schlaich und Felix Gäßler verwandelten die längst auf Betriebstemperatur angekommene Schänzle-Hölle schließlich in ein Tollhaus: 10:12 nach knapp 22 Minuten, nachdem Daniel Eblen kräftig durchgewechselt hatte. Trotz der Disqualifikation von Felix Krüger markierte Matthias Stocker direkt danach erstmals den direkten Anschluss zum 13:14, wenig später erzielte Gregor Thomann den Ausgleich zum 16:16. Dann war der trotz ebenfalls heftigen grippalen Infekts geschwächte Rechtsaußen als dennoch bester Torschütze der Partie und sieben von neun verwandelten Würfen wieder zur Stelle: 18:17 (37.) – und jetzt hielt es keinen mehr auf den Sitzen.

In einem packenden Schlagabtausch mit zwei Kreisläufern bei der HSG und dem eingewechselten Benjamin Schweda ging es nun hin und her. Fabian Schlaich besorgte die 21:20-Führung (45.), ehe Hamm das Wurfpech der Konstanzer nach dem 23:24 zu einem Zwischenspurt und dem 27:23 nutzte. Die vermeintliche Vorentscheidung. Doch obwohl nur noch fünf Minuten zu spielen waren, beeindruckten die Gelb-Blauen aus der größten Stadt am Bodensee noch einmal mit bravourösem Kampf bis zum Umfallen – und wurden dafür belohnt. Drei schnelle Tore und Konstanz war tatsächlich auf 26:27 an Hamm dran, bei noch immer mehr als zwei Minuten Spielzeit. Und das, obwohl die Hausherren zuvor schon wieder an Pfosten und Latte gescheitert waren. Fridgeirsson hatte dann die endgültige Entscheidung in der Hand, Siebenmeter, Duell gegen Konstantin Poltrum. Sieger: Poltrum! Der zweite parierte Strafwurf und seine insgesamt 17. Parade (38 Prozent gehaltene Bälle) brachte die Eblen-Equipe eine Minute vor dem Ende in Ballbesitz. An diesem Abend, an dem trotz großen Willens und Kampfes in entscheidenden Situationen immer wieder nicht der wichtige Big Point gelang, rutschte Konstanz nach einem unpräzisen Zuspiel der Ball aus den Händen. Christoph Neuhold netzte, zuvor sekundenlang auf der Stelle vor dem Tor verharrend, schließlich mit der Schlusssirene zum 26:28-Endstand ein.

Stephan Just atmete deshalb noch einmal tief durch, bevor er bekannte: „Es hätten beide Mannschaften heute einen Sieg verdient und über ein Unentschieden hätten wir uns nicht beschweren können.“ Daniel Eblen stimmte auch diesen fairen Ausführungen zu und erklärte: „Dass uns Paul kurz vor dem Spiel ausfällt und später auch noch Felix mit der Roten Karte hat es unglaublich schwer gemacht. Deshalb ein Riesenkompliment an meine Spieler, die ein tolles Spiel gemacht haben. Wenn wir unsere klaren Chancen reinmachen, wird es hier noch einmal richtig eng.“ Auch er richtete noch ein besonderes Dankeschön an die Fans für eine wahnsinnige Unterstützung: „Kompliment an unsere Halle, was hier passiert ist unglaublich. Die Fans stehen immer hinter uns. Vielen Dank!“

HSG Konstanz: Konstantin Poltrum (17 Paraden), Stefan Hanemann (Tor); Fabian Schlaich (4), Benjamin Schweda (1), Gregor Thomann (7/3), Mathias Riedel (5), Matthias Stocker (4/1), Michael Oehler (1), Felix Krüger (1), Fabian Maier-Hasselmann, Felix Gäßler (2), Tim Jud, Chris Berchtenbreiter, Sebastian Bösing (1).

Trainer: Daniel Eblen

ASV Hamm-Westfalen: Storbeck (9 Paraden), Doden (Tor); Huesmann (7), Brosch (1), Fuchs, Fridgeirsson (1), Macke (1), Gudat (3), Zintel (3/2), Höning (1), Possehl (3), Neuhold (5), Savvas (3).

Trainer: Stephan Just