16.11.2017  2. HBL

DRHV-Trainer Jungandreas: "Kolossale Entwicklung"

Im Interview verrät DRHV-Trainer Uwe Jungandreas das Geheimnis, das hinter der aktuellen Siegesserie in Dessau steckt, und schwärmt von Ex-Schützling Franz Semper.

Der Dessau-Roßlauer HV ist derzeit das Team der Stunde in der 2. Handball-Bundesliga. Seit zehn Spielen ist die mit deutschen Top-Talenten gespickte Mannschaft ungeschlagen, hat sich auf leisen Sohlen bis auf Tabellenplatz fünf vorgeschoben.

Was ist das Erfolgsrezept? Welche Ansprüche hat der Ost-Klub, der erst das zweite Jahr in der 2. Liga vertreten ist, und wie geht es strukturell in Dessau weiter? Chef-Trainer Uwe Jungandreas, der nach Stationen in Delitzsch, Leipzig und Magdeburg seit drei Jahren für die Erfolgsgeschichte in Sachsen-Anhalts drittgrößter Stadt verantwortlich zeichnet, verrät es im Interview.

Herr Jungandreas, Platz 5 nach 13 Spieltagen in der 2. Handball-Bundesliga – wie ging denn das?

Uwe Jungandreas: Wir sind schwer in die Saison rein gekommen, hatten in der Vorbereitung ein paar Probleme. Wegen zahlreichen Verletzungen hatten wir länger als einen Monat nie zwölf Feldspieler in einem Training, wir konnten nie „6 gegen 6“ trainieren. Und diese Verletzungen, vor allem der Ausfall unseres Kapitäns Florian Pfeiffer, haben uns auch bis in die Saison begleitet. Die Folge waren dann die drei Auftaktniederlagen gegen Emsdetten, Lübeck und den BHC. Ohne Florian hat uns die Körperlichkeit in der Abwehr und auch ein bisschen Mentalität gefehlt. Mit seiner Rückkehr hat sich die Defensive dann stabilisiert. Mit den Erfolgserlebnissen kam das Selbstvertrauen dazu, das diese Serie jetzt möglich macht.

Spielt der DRHV derzeit „über seinen Verhältnissen“?

Jungandreas: Auf jeden Fall kann man sagen, dass wir uns mit dieser jungen Mannschaft jede Woche alles erarbeiten müssen. Die Siege sind keine Selbstläufer. Wir müssen immer weiter an den Basics arbeiten, müssen von Woche zu Woche denken und immer optimal auf die Gegner vorbereitet sein. Zumal ich mir bewusst bin, dass die jungen Spieler, auf die wir setzen, auch immer Schwankungen unterworfen sein werden. Momentan haben wir einfach einen Lauf.

Der Altersschnitt im Team liegt unter 24 Jahren, gerade Ihre Rückraumspieler sind alle erst Anfang 20 - zeichnet die Mannschaft diese Jugendlichkeit aus?

Jungandreas: Die Jungs haben eine sehr gute Mentalität und einen guten Zusammenhalt. Das zeigt sich auf dem Spielfeld, aber auch im Training. Wir arbeiten trotz des jungen Durchschnittalters sehr intensiv und konzentriert und setzen das, was wir uns vornehmen, immer sehr gut im Match um. In der Abwehr wird sich an die Absprachen gehalten, und im Angriff haben wir jede Menge Kreativität. Die Zusammensetzung der Mannschaft passt einfach sehr gut. Ich habe eine Mischung aus jungen, sehr gut ausgebildeten Spielern von den großen Ost-Klubs Magdeburg, Leipzig und Berlin zur Verfügung – und dazu meine tschechische Fraktion, wie ich sie liebevoll nenne. Das passt menschlich sehr gut.

In der Vorsaison war einer dieser jungen deutschen Spieler noch Franz Semper, den der SC DHfK Leipzig mit einem Zweitspielrecht für die 2. Liga ausgestattet hatte. Jetzt mischt er bereits die DKB Handball-Bundesliga auf. Wie haben Sie ihn erlebt?

Jungandreas: Franz hat leider nur sechs Spiele für uns gemacht, weil seine Entwicklung einfach so schnell ging. In diesen Spielen haben wir aber zehn Punkte geholt. Das sagt schon viel. Ich habe mit den jungen Silvio Heinevetter und Lars  Kaufmann gearbeitet. Aber Franz ist für sein Alter eine Ausnahmepersönlichkeit, sowohl sportlich, als auch menschlich. Wenn er gesund und weiter so klar im Kopf bleibt, hat er eine große Zukunft. Er hat sportlich einfach alles drauf, ist körperlich weit und vor allem vom Kopf her schon sehr reif. Ich habe mal gesagt, wenn man mit ihm redet, denkt man, man unterhält sich mit einem 26-Jährigen. Da war er aber gerade einmal 19. Trotz seines frühen Erfolgs hat er keine Allüren: Es war für ihn kein Thema, als Erstligaspieler bei uns von der Bank aufzustehen und den Wasserkasten zu tragen. Es gab sogar Situationen, in denen er samstags mit Leipzig auswärts gespielt hat, nur um sich dann sonntags mit uns in den Bus zur nächsten Auswärtsfahrt zu setzen und ein überragendes Spiel zu machen.

Sie sind, gerade im Ost-Handball, eine lebende Trainer-Legende, haben die bereits angesprochenen SC DHfK Leipzig und SC Magdeburg selbst betreut, haben dazu 13 Jahre lang Concordia Delitzsch geprägt und zwischenzeitlich sogar in die DKB Handball-Bundesliga geführt. Merken Sie bei Ihren jungen Spielern manchmal eine gewisse Ehrfurcht?

Jungandreas: (lacht) Das können die Spieler wahrscheinlich besser beantworten. Ich sage es mal so: Ich merke schon, dass sich das Verhältnis zu meinen jüngsten Spielern schon verändert, je älter ich werden. Ich fordere immer viel und erwarte auch Disziplin. Auf der anderen Seite bringe ich durch den inzwischen größeren Altersunterschied und meinen Erfahrungsschatz wahrscheinlich auch mehr Verständnis für die Nachwuchsspieler auf als früher. Ich kann über kleine Dinge, über die ich mich als junger Trainer aufgeregt hätte, auch einmal hinweg sehen und darüber lachen.

Franz Semper lief in der Saison 2016/17 sechs Mal für Dessau auf

Der DRHV spielt erst das zweite Jahr in der 2. Handball-Bundesliga, scheint nach Platz 10 in der Vorsaison aber keine Probleme zu haben, sich in der neuen Liga zu etablieren.

Jungandreas: Man darf aber auch nicht die Hinrunde im letzten Jahr vergessen. Da hatten wir einen langen Hänger im November, waren deswegen lange in den Abstiegskampf involviert und haben uns erst durch eine sehr gute Rückrunde wieder nach oben gespielt. Und auch in dieser Spielzeit ist unser oberstes Ziel der Klassenerhalt. Ich als Trainer habe darüber hinaus immer das Ziel, die einzelnen Spieler weiterzuentwickeln. Wenn uns das gelingt, dass sich jeder einzelne verbessert, spielt auch die Mannschaft erfolgreich und wir werden unsere Ziele erreichen.

Beim aktuellen Erfolg: Werden die Ambitionen nicht doch größer als vorrangig der Ausbildungsverein für die Platzhirsche im Osten in der DKB HBL zu sein?

Jungandreas: Das wäre zu voreilig. Als ich hier angefangen habe, lag gewissermaßen alles am Boden. Es gab große finanzielle Probleme. Die Mannschaft steckte im Abstiegskampf der 3. Liga. Das alles liegt gerade einmal drei Jahre zurück. Seitdem gab es eine kolossale Entwicklung, sowohl sportlich, als auch wirtschaftlich. Natürlich hätte ich Lust mit den talentierten Jungs, die ich gerade beisammen habe, länger zusammenzuarbeiten und etwas aufzubauen. Das Potenzial ist riesig. Aber das ist am Ende nicht meine Entscheidung. Ich konzentriere mich darauf, die Spieler weiterzuentwickeln – das macht derzeit viel Spaß und klappt gut.

Ein Schritt in der Entwicklung, die Sie ansprechen, war auch die Installation eines Geschäftsführers vor zwei Jahren. Nach dem Abgang von Inga Nissen im Frühjahr verabschiedet sich nun auch Nachfolger Christoph Richter aus privaten Gründen. Ist dieses Projekt damit gescheitert?

Jungandreas: Nein, der Verein weiß, wie wichtig diese Stelle ist und ist schon in Gesprächen mit potenziellen Kandidaten. Uns allen ist bewusst, dass wir an den Klub-Strukturen weiter arbeiten müssen. Die positive Entwicklung, die Frau Nissen eingeleitet hat, darf nicht stagnieren.