12.04.2018  2. HBL

Coburg-Trainer Gorr: „Wir wollen aus den Erfahrungen der letzten beiden Jahre lernen"

In nur drei Jahren ging es für den HSC 2000 Coburg zwischen 2013 und 2016 von der 3. Liga in die DKB Handball-Bundesliga. Eine rasante Entwicklung, die nach dem einjährigen Abenteuer in der „stärksten Liga der Welt“ allerdings mit dem direkten Wiederabstieg endete. Im Interview erklärt Cheftrainer Jan Gorr die Zielsetzung in Coburg und welche Rolle die Neuverpflichtungen für die kommende Saison dabei spielen.

Der Weg der Oberfranken, die aktuell neun Punkte hinter einem Aufstiegsplatz den vierten Rang in der 2. Handball-Bundesliga belegen, soll unbedingt wieder zurück nach oben gehen. Um sich auch strukturell für die Herausforderungen in der DKB Handball-Bundesliga zu wappnen, richtet sich der Verein neu aus.

Herr Gorr, in der Vorwoche hat der HSC 2000 Coburg die Verpflichtung von Rückraumspieler Ponuts Zettermann bekannt gegeben - ein Puzzleteil in der neuen Ausrichtung in Coburg. Was steckt dahinter?

Jan Gorr: Um unser Konzept zu erklären, muss ich ein wenig weiter ausholen. Wir sind in Coburg in den letzten Jahren schnell von der 3. Liga bis in die DKB Handball-Bundesliga vorgestoßen. In dieser Zeit haben wir viele Erfahrungen gesammelt. Vieles war positiv, aber wir haben auch bemerkt, dass wir für das Erstliga-Level noch nicht die ausreichenden Rahmenbedingungen haben. In der 2. Handball-Bundesliga stehen wir diesbezüglich sehr gut da, aber für den nachhaltigen Schritt in die 1. Liga mussten wir konzeptionell etwas ändern, um die Potenziale vor Ort in Coburg noch besser auszuschöpfen. Diese konzeptionelle Neuausrichtung haben wir „Coburger Weg – Talent und Erfahrung Hand in Hand“ genannt.

Wie soll dieser „Coburger Weg“ künftig aussehen?

Gorr: Es gibt drei große Bausteine. Zum Ersten wollen wir in der Profi-Mannschaft die Kaderstruktur so verändern, dass wir jeder Position mit einem erfahrenen Spieler und einem jungen Top-Talent besetzen. In dieser Hinsicht war die Verpflichtung von Pontus Zettermann ein wichtiger Schritt. Im Idealfall soll das Top-Talent aus unseren eigenen Reihen stammen. Wo wir schon beim zweiten großen Baustein wären, auf den wir gesteigerten Wert legen wollen: der Ausbau unserer Nachwuchsarbeit. Dazu haben wir bereits das Projekt „Sportcampus“ ins Leben gerufen, in dem momentan Nachwuchsspieler in einer Art „Leistungs-WG“ mit Anschluss an eine Gastfamilie betreut werden. Künftig sollen die Strukturen aber einem Sport-Internat noch ähnlicher werden. Ziel ist es, den „Sportcampus“ komplett in die Vereinsstruktur zu integrieren, sodass sich z.B. unser Physiotherapeuten-Team auch um die Nachwuchsspieler kümmert, um alles unter einem Dach zu haben.

Verstehen Sie die Jugendarbeit als zukunftsweisend für den Verein?

Gorr: Sie ist eine sehr wichtige Säule. Vor gar nicht allzu langer Zeit haben wir uns in Coburg in diesem Bereich noch auf Bezirksebene bewegt. Die Nachwuchsarbeit war nicht gerade ein Markenzeichen. Mittlerweile haben wir uns aber sehr verbessert. Unsere A-Jugend hat am letzten Spieltag die direkte Qualifikation für die A-Jugend-Bundesliga geschafft. Und durch den „Sportcampus“ können wir die Nachwuchsarbeit noch weiter professionalisieren. Davon wird der gesamte Verein profitieren.

Der dritte Punkt der Neuausrichtung?

Gorr: Drittens wollen wir langjährige Spieler aus dem Profi-Kader in den Verein integrieren. Das ist zum Teil schon der Fall. Till Riehn, Sebastian Weber, Girts Lilienfels und Philipp Barsties arbeiten zum Beispiel als Jugend- oder Athletiktrainer. Dominic Kelm ist in der Geschäftsstelle im Bereich Marketing und Vertrieb tätig. Wir haben in diese Spieler über Jahre viel investiert, sie haben dementsprechend eine hohe Identifikation mit dem Verein und so können beide Seiten profitieren.

Man merkt: Die Saison 2016/17 in der DKB Handball-Bundesliga soll kein einmaliges Abenteuer gewesen sein.

Gorr: Das ist unser mittelfristiges Ziel. Wir wissen aber auch, dass wir dafür weiter an unseren Strukturen arbeiten müssen. Wir wollen aus den Erfahrungen der letzten beiden Jahre lernen.

Haben Sie sich einen zeitlichen Rahmen dafür gesetzt, wann der „Coburger Weg“ zurück in die DKB Handball-Bundesliga führen soll?

Gorr: Es geht jetzt nicht darum, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen. Wir brauchen Geduld und Nachhaltigkeit in unserer Arbeit, denn die Strukturen müssen belastbar sein. Dazu haben wir auch innerhalb des Kaders viel verändert. Sich ein zeitliches Korsett aufzuerlegen, wäre deswegen fatal. Aber man kann schon sicher sein, dass wir uns, auch was den zeitlichen Rahmen angeht, ehrgeizige Ziele setzen.

Theoretisch haben Sie auch in dieser Saison noch Chancen auf den Aufstieg.

Gorr: Wir haben es jetzt am letzten Spieltag zum ersten Mal geschafft, unsere interne Zielsetzung, nämlich zu den besten vier Mannschaften der 2. Handball-Bundesliga zu zählen, zu erreichen. Nach der wenig zufriedenstellenden Hinrunde ist das eine sehr positive Entwicklung. Deswegen ist es jetzt unser Anreiz, diese Position bis zum Saisonende zu verteidigen und vielleicht sogar noch einen Rang zu klettern. Dass Bietigheim auf Platz zwei sich seinen Vorsprung noch nehmen lässt, halte ich aktuell für eher unwahrscheinlich.

Noch einmal zurück zur Kaderzusammensetzung für die kommende Saison: Neben Pontus Zettermann wechselt unter anderem Christoph Neuhold nach Coburg – zwei absolute Hochkaräter für den Rückraum. Aber auch andere Vereine haben bereits auf dem Transfermarkt zugeschlagen. Die Spitzenteams scheinen „ernst zu machen“.

Gorr: Das kann ich nur bestätigen. Auch wir konnten nicht alle Spieler, die wir gerne nach Coburg geholt hätten, überzeugen. Aber das spricht ja nur dafür, dass das Niveau der 2. Handball-Bundesliga mittlerweile extrem hoch ist. Ein großer Wettbewerb auf dem Transfermarkt ist da die logische Folge.

Vielen Dank für das Gespräch!

Foto: Henning Rosenbusch