08.06.2016  LIQUI MOLY HBL

Björn Seipp: „Unsere Fans haben einen riesigen Anteil am Erfolg!“

Geschäftsführer der HSG Wetzlar mit abgelaufener Saison sehr zufrieden – Mittelhessen freuen sich über neuen Zuschauer- und Dauerkartenrekord – Schwierige Zeit nach der Europameisterschaft

Die HSG Wetzlar hat die Saison 2015/2016 in der DKB Handball-Bundesliga auf dem 10. Tabellenplatz abgeschlossen. Lange Zeit hatten die Grün-Weißen sogar, für viele etwas unwirklich, an den Europapokal-Plätzen schnuppern dürfen, doch am Ende der Saison mussten die Mittelhessen, die im Januar gleich drei Europameister feiern konnten, noch den ein oder anderen Konkurrenten in der Tabelle vorbeiziehen lassen. Geschäftsführer Björn Seipp (42) blickt im Interview auf die nunmehr abgelaufene Saison zurück.

 
Die HSG Wetzlar hat ihre 18. Erstliga-Saison auf dem 10. Tabellenplatz abschlossen. Wie fällt Ihr sportliches Fazit aus?

Björn Seipp: „Wir sind letztlich sehr zufrieden mit unserem Abschneiden! Immerhin ist es das Viertbeste in unserer Erstliga-Geschichte. Nachdem wir im Sommer unter anderem mit Ivano Balic, Dejan Manaskov und Kent Robin Tönnesen jede Menge individuelle Qualität und zudem mit Ivano auch den Kopf der Mannschaft verloren hatten, war es beeindruckend zu sehen, wie schnell die neuformierte Mannschaft zusammengefunden hat. Schon ab dem vierten Spieltag waren die Jungs eine echte Einheit auf und neben dem Spielfeld. Highlights waren in dieser Phase die Heimsiege gegen Flensburg, Magdeburg, Göppingen und Melsungen. Bis zum Jahreswechsel haben wir dann wirklich herausragend gespielt und 25 Punkte aus 19 Spielen geholt. Das war schon klasse! Am Ende wäre natürlich ein einstelliger Tabellenplatz eine tolle Belohnung für das Team und die Fans gewesen. Wir gehen nun ins 19. Erstligajahr in Folge und haben damit den Hessen-Rekord der SG Wallau-Massenheim eingestellt. Ziel ist es alleiniger hessischer Rekordhalter zu werden (lacht).“

 
Sie haben immer wieder betont, dass für Sie Trainer Kai Wandschneider der „Mann der Saison“ ist!

Björn Seipp: „Ganz klar! In Zusammenarbeit mit unserem Co-Trainer Jasmin Camdzic hat es Kai wieder einmal verstanden, schnell aus einer neu zusammengestellten Mannschaft ein funktionierendes Team zu formen. Kai ist ein akribischer Arbeiter, der mit viel Knowhow und zwischenmenschlichem Fingerspitzengefühl agiert - toll unterstützt von Jasmin Camdzic. Ihnen gebührt ein großes Dankeschön genauso wie den Geschäftsstellen-Mitarbeiten. Gerade die Zeit nach der Europameisterschaft war zum Teil schon etwas grenzwertig und erforderte von den Trainern und mir enorm viel Führungsarbeit. Da mussten schon einige sehr ernsthafte Einzelgespräche mit Spielern geführt werden.“

 
Wie ist das zu verstehen?

Björn Seipp: „Viele Faktoren haben nach der EM dafür gesorgt, dass unsere Spieler nicht mehr ihr volles Leistungsvermögen abrufen konnten, was sich letztlich auch in unseren Ergebnissen, allen voran auswärts, und letztlich auch in der Abschlusstabelle widerspiegelt. Unsere drei Europameister, die die Eckpfeiler unseres Spiels waren, hatten keine Pause und mussten nach dem Titelgewinn mit dem Erfolg und den daraus hergehenden Verpflichtungen und Ansprüchen umgehen. Der Bundesliga-Spielplan, mit Spielpausen von bis zu vier Wochen, in denen es unheimlich schwer ist, die Mannschaft fokussiert zu halten, spielt eine weitere Rolle. Wir kamen überhaupt nicht mehr in einen Rhythmus, der im Sport so wichtig ist. Dazu ereilte uns nach dem Jahreswechsel das Verletzungspech. Kristian Bliznac und Sebastian Weber konnten bis zum Saisonende kaum noch eine Alternative sein und für Entlastung auf ihren Positionen sorgen. Unser Spielmacher Florian hat nur eingeschränkt trainieren können, da er Lehrer ist und Vater von Zwillingen wurde. Des Weiteren ist unser Neuzugang Joao Ferraz, der von Porto kam und eine grandiose Hinrunde gespielt hat, im Frühjahr gegen die sogenannte ‚Rookie-Wand‘ gefahren. All das sind Faktoren, die dazu geführt haben, dass unsere Rückrunde mit neun Punkten aus 13 Spielen nicht mehr so erfolgreich, wie erhofft, war.“

 
Welche Rolle spielen dabei die vielen Abgänge. Immerhin verlassen acht Spieler den Club!

Björn Seipp: „Nachdem uns klar war, dass wir unsere beiden absoluten Leistungsträger Steffen Fäth und Andreas Wolff verlieren werden, war es natürlich schon Ende November gut zu wissen, dass wir den Klassenerhalt in der Tasche haben. Klar war auch, dass für die HSG Wetzlar kein gleichwertiger Ersatz für beide zu finden ist. Deshalb galt es die aktuelle Mannschaft in ihrer Gesamtheit sportlich zu überprüfen und die Verantwortung, die Steffen und Andi getragen haben, zukünftig auf mehreren Schultern zu verteilen. Außerdem war unser Kader zu groß und musste verkleinert werden. Daraus resultierte, dass wir vier Spielern mitteilen mussten, dass deren Verträge nicht verlängert werden. Aus Fairnessgründen ist dies bereits um den Jahreswechsel herum geschehen, damit sich die Spieler frühzeitig nach neuen Arbeitgebern umschauen konnten. Heute kann ich sagen, dass ein so früher Zeitpunkt Wohl und Wehe für einen Club und eine Mannschaft sein kann, denn nicht jeder hat das gut verkraftet.“

 
Die Wetzlarer Mannschaft bekommt nun mit sieben Neuzugängen ein neues Gesicht! Was ist zu erwarten?

Björn Seipp: „Für Erwartungshaltungen ist es sicherlich etwas zu früh, denn erst muss die Mannschaft einmal ein paar Wochen zusammen trainieren und spielen. Grundsätzlich kann ich sagen, dass wir über jeden unserer Neuzugänge froh sind, denn all diese Spieler waren unsere Wunschspieler. Gerade die Spieler, die neu in die Bundesliga kommen, werden Zeit brauchen, um sich sportlich zu akklimatisieren – vor allem Torhüter Benjamin Buric. Da sind wir froh, dass er mit Nikolai Weber einen erfahrenen Mann an seiner Seite hat. Philipp Pöter, Stefan Kneer und Philipp Weber kennen die Bundesliga und ein paar Ihrer künftigen Mitspieler von früheren Vereinen, sodass es hier keine lange Anlaufzeit benötigen wird. Trotzdem ist klar, dass es Zeit brauchen wird bis die Abläufe stimmen, die Kommunikation passt und das neue Team eine Hierarchie gebildet hat. Kai, Jasmin und ich freuen uns, ab 18. Juli mit der neuen, verjüngten Mannschaft zusammen zu arbeiten und haben einhundertprozentiges Vertrauen, dass diese unseren Fans jede Menge Spaß bereiten wird.“

 
Thema Fans! Jeder Ihrer Spieler hat leuchtende Augen, wenn über die Wetzlarer Zuschauer und die stimmungsvollen Heimspiele in der Rittal Arena gesprochen wird.

Björn Seipp: „Absolut zurecht! Das waren schon echte Handballfeste, die wir dieses Jahr zusammen mit unserem sensationellen Publikum feiern durften. An den 23:9-Punkten, die wir zu Hause geholt haben, haben unsere Fans einen riesigen Anteil. Die Stimmung und die Unterstützung war einfach gigantisch, auch wenn es mal nicht so gelaufen ist, was zum Glück selten der Fall war.“

 
Die letzten elf Heimspiele waren allesamt ausverkauft! Handball in Wetzlar boomt nicht erst seit dem EM-Titel.

Björn Seipp: „Unsere Heimspiele sind ein echtes Happening geworden! Das ist eine tolle Entwicklung. Wir haben diese Saison mit knapp 73.000 Besuchern einen neuen Zuschauerrekord aufgestellt. Schon die letzten vier Heimspiele im Jahr 2015 waren restlos ausverkauft. Die Rittal Arena war bei unseren Heimspielen zu 97 Prozent ausgelastet. Dazu haben wir in der abgelaufenen Saison über 2.500 Dauerkarten verkauft und werden diesen Rekordwert kommende Spielzeit noch einmal toppen. Das sind beeindruckende Zahlen, die auch im Hinblick auf die Vermarktung unseres Clubs von entscheidender Bedeutung sind. Die HSG Wetzlar ist in Hessen in aller Munde und auch deshalb steigt die Zahl der Sponsoren von Jahr zu Jahr – mittlerweile sind es bereits um 180 Partner. Um den nächsten, entscheidenden Schritt in Sachen Etat zu machen, bräuchten wir nunmehr zwei bis drei größere Sponsoren. Daran gilt es zu arbeiten! Mehr Fernsehpräsenz, wie zuletzt beim spannenden Heimspiel gegen die Rhein-Neckar Löwen, das weit über 300.000 Menschen gesehen haben, wäre da hilfreich.“

Quelle: HSG Wetzlar