18.04.2015  LIQUI MOLY HBL

Wetzlar bringt Rhein-Neckar Löwen bittere Niederlage bei

Mittelhessen siegen vor ausverkauftem Haus mit 31:27 (15:10) gegen Tabellenzeiten – Rhein-Neckar Löwen somit aus dem Titelrennen!

Bei den Spielern, Trainern und Verantwortlichen der HSG Wetzlar klingelten nach dem Heimspiel gegen die Rhein-Neckar Löwen am Freitagabend die Mobiltelefone Sturm! Was war geschehen? Sicherlich ein kleines „Handballwunder“, denn die Grün-Weißen hatten es in eigener, ausverkaufter Halle geschafft, den Meisterschaftsanwärter aus Mannheim mit 31:27 (15:10) zu schlagen – und das auch verdient, wie selbst Löwen-Coach Nikolaj Jakobson nach dem Spiel niedergeschlagen testierte. Für dessen Team scheint der Traum von der ersten Meisterschaft nunmehr endgültig ausgeträumt.

Björn Seipp: „Hut ab vor unserer Mannschaft! Das war ganz großes Kino!“

Riesenfreude herrschte dagegen bei den Grün-Weißen. „Das war ein perfekter Handballtag für alle, die ein grün-weißes Herz haben“, so HSG-Geschäftsführer Björn Seipp. „Es hat einfach alles gepasst: vor den Kameras von Sport1 ein Topteam der Liga geschlagen und das vor ausverkauftes Haus. Damit haben wir die 30 Punkte-Marke geknackt und den Abstiegskampf endgültig hinter uns gelassen - und das drei Tage vor dem Start des freien Dauerkarten-Verkaufs. Was will man mehr? Hut ab vor unserer Mannschaft! Das war ganz großes Kino! An dieses Spiel werden sich viele noch sehr lange zurück erinnern, ganz besonders unser Coach. Jetzt, nach vielen Anläufen, hat Kai endlich mal die Löwen schlagen können“, so Seipp schmunzelnd.

Bereits drei Minuten vor dem Spielende hielt es die 4.412 Besucher nicht mehr auf ihren Sitzen. In der proppenvollen Rittal Arena herrschte Hochstimmung. Frenetische Anfeuerung und rhythmisches Klatschen wechselten sich mit Jubelstürmen ab. Die Arena wurde schließlich zum Tollhaus, als beim Abpfiff der souveränen Schiedsrichter Marcus und Andreas Pritschow ein 31:27 für den „Underdog“ auf der Anzeigentafel aufleuchtete.

„Das war heute eine klasse Partie von uns! Wir waren von der ersten Minute an voll konzentriert, haben im Spiel stets geführt und konnten schließlich einen ganz großen Sieg gegen eine Super-Mannschaft einfahren“, sagte HSG-Linksaußen Dejan Manaskov nach den Jubelorgien noch auf dem Spielfeld. So recht bewusst war es einigen Wetzlarer Akteuren Minuten nach dem Abpfiff noch nicht geworden, was sie als Kollektiv eben erreicht hatten: Dem ambitionierten Tabellenzweiten der DKB Handball-Bundesliga und „Final-Four“-Teilnehmer gezeigt, was eine Harke ist.

Der Erfolg der Lahnstädter zeichnete sich schon in der Anfangsphase ab, als die bärenstarke Wetzlarer Abwehr um den Mittelblock Evars Klesniks und Kristian Bliznac die Gäste-Offensive im Zaum hielt. Besonders die gefährliche Löwen-Achse Andy Schmid und Bjarte Myrhol war von der Wetzlarer Defensive nahezu lahmgelegt worden. Und fanden die Mannheimer doch einmal eine Lücke im Abwehrverband, zeigte Nationaltorhüter Andreas Wolff im Tor der Hausherren überragende Reaktionen. Bereits nach einer Viertelstunde hatte der Wetzlarer Schlussmann neun Bälle gehalten, während sein gegenüber Niklas Landin immer noch nicht auf Betriebstemperatur gekommen war. Alles Gründe dafür, warum sich die Gastgeber mit Unterstützung ihres lautstarken Publikums regelrecht in einen Rausch spielten. 

Während die Löwen laut Trainer Jakobsen zu umständlich ihren Spielaufbau betrieben, wanderte der Ball bei den Wetzlaren durch die Reihen mit blindem Spielverständnis der Akteure untereinander, so schien es zumindest. Schon nach viereinhalb Minuten mussten die Gäste ihre erste Auszeit nehmen, doch die Dienstbesprechung fruchtete nicht. Wetzlar, angetrieben von einem überragenden Ivano Balic, zog über 8:3 (16.), 11:7 auf 13:8 (Tönnesen, 23.) und 15:10 zur Pause davon. Die Fans verabschiedeten ihre Mannschaft mit „Standing ovations“ in die Kabine.

Balic wirbelt Löwen-Deckung auseinander – Laudt trifft in wichtiger Phase dreimal!

„Wir fanden heute kein Mittel gegen Ivano Balic. Er hat unsere Abwehr mit vielen Kreuzungen geknackt und Fäth und Tönnesen in hervorragende Wurfpositionen gebracht“, brachte es Nikolaj Jakobsen nach dem Spiel in der Pressekonferenz auf den Punkt. In der Tat, wie der 35-jährigekroatische Spielmacher der Grün-Weißen auf dem Feld zauberte und eine international renommierte Mannschaft zum Teil regelrecht vorführte, ließ die Handball-Ästheten mit der Zunge schnalzen. „Ich wusste, dass Ivano 60 Minuten durchhalten musste. Als es in der zweiten Halbzeit noch einmal eng wurde, hat Florian Laudt die entscheidenden Treffer geworfen. Jeder bei uns ist heute bis an sein Limit gegangen“, lobte HSG-Trainer Kai Wandschneider seine Truppe, die auch im zweiten Durchgang immer wieder eine Antwort fand, als die Löwen nach dem 23:17 (45.) wieder aufwachten.

Nachdem Weltklasse-Keeper Niklas Landin entnervt das Tor verlassen hatte, parierte dessen Backup Bastian Rutschmann gleich die ersten drei Würfe der Wetzlarer, sodass die Gäste elf Minuten vor dem Ende, beim 23:21 (49.), wieder auf Schlagdistanz herangekommen waren. Doch die Mittelhessen ließen sich nicht mehr die Butter vom Brot nehmen. Das Publikum peitschte das Heimteam weiter nach vorn, sodass die Wetzlarer Schützen mitkraftvollen Einzelaktionen gegen die offensive Löwen-Deckung wieder für klare Verhältnisse sorgten. Tönnesens Doppelschlag zum 28:24 und 29:25 ließ die Rittal-Arena in ihren Grundfesten beben. Und lange bevor der 31:27-Endstand feststand, hallte es im weiten Rund: „Oh, wie ist das schön!“

Steffen Fäth: „Haben Chancen kaltschnäutzig genutzt und waren vom Vorsprung beflügelt!“

Für Wetzlars Nationalspieler Steffen Fäth war der Sieg ein „kollektiver Erfolg, weil wir heute mit richtig Power gespielt, unsere Chancen kaltschnäuzig genutzt haben und von unserem Vorsprung noch beflügelt wurden“. Mannheims Coach Jacobsen analysierte: „Bei uns haben zu viele Leistungsträger heute nicht zu ihrer Normalform gefunden. Wir agierten teilweise nervös und haben auch viele freie Bälle gegen einen sehr starken Wetzlarer Torhüter Andreas Wolff nicht genutzt.“

Während die Wetzlarer Spieler nunmehr mit einem breiten Grinsen in die dreiwöchige Länderspielpause gehen, sitzt der Frust bei den Gästen tief. „Wir müssen das Thema Meisterschaft jetzt schleunigst abhaken und uns voll auf das Final-Four-Turnier konzentrieren, um den DHB-Pokal mitnach Mannheim zu nehmen“, so Nikolaj Jakobsen, dem sein Kollegen Kai Wandschneider dafür viel Glück wünschte.

Foto: Gümbel

Quelle: HSG Wetzlar