27.04.2017  LIQUI MOLY HBL

Philipp Weber: "Ich wollte mir von niemandem nachsagen lassen, dass ich mich hängen lasse"

Die Aufregung war groß, als die HSG Wetzlar bekannt gab, dass ihr bester Torjäger, Philipp Weber, nach nur einer Saison in Wetzlar zum SC DHfK Leipzig zurückkehren wird. Am vergangenen Wochenende traf Weber auf seinen neuen Verein, spielte trotz Schmerzen und erzielte kurz vor Schluss auch noch den entscheidenden Treffer. Im Interview spricht der Topscorer der DKB Handball-Bundesliga über seinen ungewöhnlichen Wechsel, Versagensängste und Freundschaften im Profihandball.

Philipp, du kommst gerade von der Physiotherapie. Spürst du noch die Nachwirkungen vom Spiel gegen den SC DHfK Leipzig?

Philipp Weber: Ja, bei der Nachuntersuchung hat sich herausgestellt, dass ich mir einen leichten Muskelfaserriss zugezogen habe. Das hat allerdings mit den Problemen vor dem Spiel gegen Leipzig nichts zu tun. Wir arbeiten jetzt rund um die Uhr, damit ich möglichst schnell wieder trainieren und spielen kann.

Man kennt es aus anderen Sportarten, dass Sportler vor Duellen gegen ihre neuen Vereine kurzfristig verletzungsbedingt ausfallen. Du wolltest aber trotz Schmerzen unbedingt gegen Leipzig auflaufen. Warum?

Philipp Weber: Das ist einfach meine Art! Wenn ich eine Sache anfange, dann ziehe ich sie auch voll durch! Es war meine Entscheidung, denn ich wollte mir von niemandem nachsagen lassen, dass ich mich hängen lasse. Ich wollte für den Verein, die Mannschaft und die Fans alles versuchen. Trotz der Schmerzen danach bin ich froh, dass ich es gemacht habe.

Besser hätte es dann ja kaum laufen können: Ausgerechnet du hast 77 Sekunden vor dem Ende den Siegtreffer erzielt. Hast du da kurz an deinen Wechsel gedacht?

Philipp Weber: In diesem Moment nicht. Aber vor dem Spiel hatte ich das erste Mal Versagensängste. Ich habe viel darüber nachgedacht, was wäre, wenn ich nicht gut spiele. Normalerweise mache ich mir vor einem Spiel keine großen Gedanken. Ich habe aber ein reines Gewissen. Letztes Jahr habe ich das entscheidende Tor für Leipzig gegen Wetzlar geworfen, dieses Jahr war es genau anders herum.

 

Wetzlar und Leipzig liegen in der Tabelle eng beieinander, für beide Vereine besteht noch die Chance auf den EHF-Pokal. Du könntest also mit deinem Treffer Leipzig die entscheidenden Punkte abgeluchst haben.

Philipp Weber: Ich habe in Wetzlar ein Arbeitsverhältnis bis zum Ende der Saison. Bis dahin gebe ich alles für den Verein und blende alles andere aus. Der EHF-Pokal wäre für Wetzlar eine riesen Belohnung für dann 20 Jahre Handball-Bundesliga in Folge. Dazu möchte ich bis zum letzten Spieltag meinen Teil beitragen.

Du bist mit einigen Leipziger Spielern eng befreundet. Musstest du dir nach dem Spiel Sprüche deiner zukünftigen Mitspieler anhören?

Philipp Weber: Nein, nein. Wir hatten nach dem Spiel nicht besonders viel Kontakt, was nach so einer knappen Niederlage aber auch klar ist. Sie haben mir aber gesagt, dass sie stolz darauf sind, wie ich gegen sie aufgetreten bin. Ich denke nicht, dass darunter unsere Freundschaft gelitten hat.

Man hört immer wieder, dass im Profisport echte Freundschaften schwierig sind. Wenn man die sozialen Netzwerke verfolgt, bekommt man aber den Eindruck, dass das im Handball anders ist.

Philipp Weber: Ich denke, wir Handballer sind vom Auftreten und Verhalten her anders gestrickt. Handballer sind bodenständiger, wir verdienen keine Millionen wie zum Beispiel im Fußball. Die Distanz zu den Fans ist nicht so groß wie in anderen Sportarten, bei uns läuft alles etwas entspannter ab.

Waren deine Freundschaften und die Verbundenheit zu Leipzig der Grund, weshalb du nach nur einem Jahr in Wetzlar wieder zum SC DHfK zurückkehrst?

Philipp Weber: Das hat auf jeden Fall auch eine Rolle gespielt. Der Sport ist zwar mein Beruf, aber die Familie und mein persönliches Umfeld sind mir sehr wichtig. Nach einem halben Jahr habe ich gemerkt, dass das in Wetzlar aufgrund der Distanz nur schwierig für mich vereinbar ist. Daher bin ich der HSG Wetzlar wirklich sehr dankbar, dass sie dem Wechsel zugestimmt hat. Das ist nicht selbstverständlich. Ich bin sehr glücklich, dass ich im Sommer wieder nach Hause kommen kann.

 

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Die HSG Wetzlar wird deine Tore schmerzlich vermissen. Immerhin bist du der aktuelle Topscorer der Liga. Du hast jetzt schon mehr Scorerpunkte als in der gesamten letzten Saison. Wie erklärst du dir diese Entwicklung?

Philipp Weber: Dafür gibt es zwei Gründe. Letztes Jahr habe ich zum Beispiel die ersten sechs Partien wegen einer Verletzung verpasst und war öfters angeschlagen. Diese Saison ist die erste, in der verletzungsfrei geblieben bin und alle Spiele bestreiten konnte. Der zweite Grund ist Trainer Kai Wandschneider, der Gold wert ist für mich und die Mannschaft. Von ihm habe ich viel gelernt, was dazu geführt hat, dass ich meine Leistung konstant abrufen konnte.

Aktuell liegst du in der Torjägerliste auf Platz zwei, hast aber im Vergleich zu den anderen Toptorschützen deutlich mehr Assists auf dem Konto.

Philipp Weber: Das hat sicher positionsbezogene Gründe. Robert Weber, Johannes Sellin oder Gudjon Valur Sigurdsson sind alle Außenspieler. Ich habe im Rückraum mehr Einfluss auf die Spielstruktur. Unserer Gegner decken mich besonders eng, wenn ich gedoppelt werde, finde ich leichter den freien Mitspieler, der dann das Tor machen kann.

Auch wenn du am Ende der Saison nur ein Jahr in Wetzlar warst, in welchen Bereichen hat dich der Wechsel weitergebracht?

Philipp Weber: Es war das erste Mal, dass ich weiter von zu Hause weg war. In der einen oder anderen Situation ist man unweigerlich auf sich allein gestellt, das waren wertvolle Erfahrungen. Menschlich und persönlich hat mich die Zeit in Wetzlar einen großen Schritt nach vorne gebracht.

Neben einem neuen Verein wirst du zur nächsten Saison mit Michael Biegler auch einen neuen Trainer bekommen. Eine gute Wahl?

Philipp Weber: Michael Biegler hat auf all seinen Stationen gute Ergebnisse erzielt und jede Menge Erfahrung. Er wird dem Projekt Leipzig einen weiteren Schub verleihen und auch mich mit Sicherheit noch ein Stück weiter nach vorne bringen. Wir hatten bereits Kontakt und haben gemerkt, dass es sowohl persönlich als auch sportlich sehr gut passt. Ich bin mit der Entscheidung des Vereins sehr glücklich.

Bis es so weit ist steht aber noch der Saisonendspurt mit der HSG Wetzlar an. Wo landet ihr am Ende der Saison?

Philipp Weber: Ich hoffe, dass wir den sechsten Platz verteidigen können. Das hätten wir uns nach dieser starken Saison verdient und es wäre auch ein schöner Abschluss für mich persönlich.

Vielen Dank für das Gespräch!

Foto: Vogler