15.09.2017  LIQUI MOLY HBL

Mattias Andersson schreibt Geschichte: Der Club der 500er

Großartige Paraden, grenzenlose Leidenschaft und ganz viel Emotionen: Mattias Andersson steht nach unzähligen Jahren im Tor der SG Flensburg-Handewitt nicht nur für herausragende Momente, sondern auch für einen großartigen Sportsmann. Mit dem gestrigen Heimspiel gegen den HC Erlangen stand der 39-jährige Schwede zum 500. Mal in der DKB Handball-Bundesliga auf der Platte. Diese historische Schallmauer knackten vor ihm nur acht weitere Spieler. Ein Überblick.

643 Pflichtspiele: Jan Holpert (TSV Milbertshofen, SG Flensburg-Handewitt)

Nach 50 Bundesligajahren ist er der Spieler mit den meisten Einsätzen. Niemand hat mehr Spiele auf dem Buckel als Jan Holpert. Der Keeper, der zudem mit 476 gehaltenen Siebenmetern eine weitere Rekordmarke hält, trägt demnach nicht zu Unrecht den Beinamen „Rekordmann“. In Flensburg geboren, begann Holpert 1986 als 18-Jähriger beim TSV Milbertshofen, ehe er nach seiner Rückkehr in seine Geburtsstadt noch 14 Spielzeiten für die SG Flensburg-Handewitt im Tor stand. Eine beeindruckende Karriere, die zudem mit zahlreichen Titeln gewürzt ist. Holpert, dessen Bruder Fynn langjähriger Keeper und später Manager beim TBV Lemgo war, gewann die Deutsche Meisterschaft 2004, viermal den DHB-Pokal, davon einmal mit den Münchnern (1990), insgesamt vier Europapokale – nur die Champions League nicht, obwohl er mit den Flensburgern gleich zweimal im Finale des wichtigsten europäischen Vereinswettbewerbs stand. In der Nationalmannschaft langte es bei 245 Einsätzen immerhin zur EM-Medaille in Bronze 1998 in Südtirol. Am 5. Juni 2007, dem Tag seines Abschieds, hütete er noch einmal das Tor des All Star-Team der Saison 2006/07. Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde er gemeinsam mit Stefan Kretzschmar für sein „Lebenswerk“ geehrt.

600 Pflichtspiele: Christian Schwarzer (VfL Fredenbeck, TV Niederwürzbach, TBV Lemgo, Rhein-Neckar Löwen)

Wer an Christian Schwarzer denkt, dem fällt wohl als Erstes und spontan die Weltmeisterschaft 2007 ein. Bundestrainer Heiner Brand nominierte den damals 38-jährigen Kreisläufer vom TBV Lemgo nachträglich, weil die WM nach der holprigen Vorrunde aus deutscher Sicht zu scheitern drohte. Die Geschichte ist bekannt: „Blacky“ kam zurück und entfachte in der Mannschaft jenen Spirit, der den Nährboden für den späteren Triumph von Köln bildete.

Aber da war Schwarzers Karriere schon auf die Zielgerade eingebogen. Als junger Spieler stand er beim VfL Fredenbeck (1987 bis 1991) und beim TV Niederwürzbach (1991 bis 1999) unter Vertrag, spielte als einer der wenigen Deutschen zwei Jahre beim FC Barcelona, dekorierte sich dort mit der Meisterschaft, dem Pokal und dem Gewinn der Champions League, gewann erst nach seiner Rückkehr nach Deutschland 2001 mit dem TBV Lemgo seinen ersten deutschen Titel. Das war 2002 – Schwarzer war bereits 33 Jahre alt, als er den DHB-Pokal zum ersten Mal in den Händen halten durfte. Ein Jahr später folgte die Deutsche Meisterschaft. Schwarzer absolvierte 600 Bundesligaspiele und warf dabei 2.208 Tore. Er war Handballer des Jahres 2001 und über viele Jahre fester Bestandteil der Nationalmannschaft. Mit 318 Länderspielen liegt er auf Rang drei im Ranking der deutschen Nationalspieler, war 2004 Europameister und olympischer Silbermedaillengewinner. Nach Beendigung seiner Karriere bei den Rhein-Neckar Löwen 2009 heuerte Schwarzer bis 2015 als Jugendtrainer beim Deutschen Handballbund an.

586 Pflichtspiele: Volker Zerbe (TBV Lemgo)

War er der größte Spieler in 50 Jahren Bundesliga? Nein, war er nicht. Es gab mal einen Valeri Savko, der bei TUSEM Essen spielte. Der war über 2,20 Meter groß. Dennoch gehört Zebu, nicht nur wegen seiner Länge zu den Stars der Liga. Der Linkshänder brachte es in seiner Karriere auf 586 Bundesligaeinsätze und 1.977 Tore, lediglich drei davon per Siebenmeter. Damit ist er drittbester Feldtorschütze in der Liga-Geschichte. Er spielte ausschließlich für den TBV Lemgo und verhalf seinem Klub zu diversen Titeln. Gleich zweimal wurde Zerbe Deutscher Meister, dreimal sogar Pokalsieger. Und 1996 und 2006 gewannen die Ostwestfalen mit ihm als Kapitän sogar den Europacup. Auch seine Nationalmannschaftskarriere ist glanzvoll. 2004 wurde er Europameister und gewann bei den Olympischen Spielen in Athen die Silbermedaille. Zudem war er Vize-Europameister (2002) und Vize-Weltmeister (2003). Am 4. Juni 2006 beendete er mit einem Abschiedsspiel seine Karriere als aktiver Handballspieler. Zudem wurde die Heldmanskamphalle in Lemgo in „Volker-Zerbe-Halle“ umbenannt.

561 Pflichtspiele: Stefan Hecker (TUSEM Essen, VfL Gummersbach)

Stefan Hecker bildete gemeinsam mit Andres Thiel das Ausnahmetorhüterduo im internationalen Handball der 1980er Jahre. Auch aus diesem Grund verfassten sie zusammen ein Lehrbuch für Handball-Torhüter "HALTEN WIE WIR". Hecker bestritt 561 Spiele als aktiver Handballer in Essen und Gummersbach in der Handball-Bundesliga. Weiter stand er in 157 Länderspielen im Kader der deutsche Nationalmannschaft. Sein Länderspieldebüt hatte Hecker am 18. Oktober 1980 gegen die Tschechoslowakei. Mit dem TUSEM Essen wurde Hecker dreimal Deutscher Meister (1986, 1987 und 1989), dreimal DHB-Pokalsieger (1988, 1991 und 1992). 1989 gewann er mit Essen den Europapokal der Pokalsieger (1989) und den Euro-City-Cup (1994). 1990 wurde Hecker zum Handballer des Jahres gewählt.

Bis September 2008 war Hecker Geschäftsführer beim VfL Gummersbach. Im Oktober des selben Jahres wechselte er dann in das Management des TUSEM Essen und hilft dabei, den Verein nach dem Abstieg in die 2. Bundesliga wieder auf die Erfolgsspur zu bringen.

557 Pflichtspiele: Henning Fritz (SC Magdeburg, THW Kiel, Rhein-Neckar Löwen)

In der Galerie herausragender deutscher Torhüter nimmt Henning Fritz eine Sonderstellung ein. 20 Jahre stand der gebürtige Magdeburger in der ersten Liga zwischen den Pfosten, zunächst für seinen Heimatklub SC Magdeburg, später für den THW Kiel und in den letzten fünf Jahren seiner aktiven Zeit für die Rhein-Neckar Löwen. Titel hat er dabei zahlreiche eingesammelt. Schon mit dem SCM wurde er 2001 zunächst Deutscher Meister, ein Jahr später gewann er die Champions League. Beim THW kamen vier weitere Deutsche Meisterschaften dazu, ein Pokalsieg und – neben anderen Europacup-Erfolgen – als Sahnehäubchen der Triumph in der Champions League 2007. Wenige Monate zuvor hatte der Keeper maßgeblichen Anteil am Wintermärchen, als er mit zum Teil sagenhaften Leistungen dafür sorgte, dass Handball-Deutschland sich über den WM-Titel freuen durfte.

Schon 2004 war Fritz Europameister geworden und hatte beim Olympiaturnier in Athen Silber gewonnen. Unvergessen sein Auftritt im Viertelfinale gegen Spanien, als Fritz im Siebenmeterwerfen die gegnerischen Schützen reihenweise zur Verzweiflung brachte – dafür wurde er als erster Torwart als „Welthandballer“ ausgezeichnet. 2012 beendete er seine großartige Karriere.

528 Pflichtspiele: Andreas Thiel (VfL Gummersbach, TSV Bayer Dormagen, SG Flensburg-Handewitt)

Sie nannten ihn Hexer. Weil er ein Keeper mit außergewöhnlichen Reflexen war und die Angreifer in schöner Regelmäßigkeit zur Verzweiflung trieb. In der langen Reihe wunderbarer und großartiger deutscher Torhüter war er einer der besten. In seiner langen Bundesligakarriere von 1979 bis 2001 hielt er nicht weniger als 430 Siebenmeter. Aber das ist für Andreas Thiel lediglich eine Randnotiz. Wichtig sind ihm die Erfolge. Und davon gab es einige. Mit dem VfL Gummersbach wurde Thiel fünfmal Meister, dreimal Pokalsieger und gewann zweimal den Europapokal der Landesmeister. Siebenmal – und damit am häufigsten – wurde er zum Handballer des Jahres gewählt. Seine Nationalmannschaftskarriere war lang, aber weniger erfolgreich. Er absolvierte 257 Länderspiele, mehr als jeder andere deutsche Keeper. 1984 gab es olympisches Silber in Los Angeles. Heute ist Andreas Thiel niedergelassener Rechtsanwalt in Köln und Justiziar der Handball-Bundesliga. Mit Schauspieler Peter Lohmeyer nahm Thiel anlässlich der 50. Saison das Hörbuch „Altes vom Hexxer – Geschichten aus 50 Jahren Handball-Bundesliga“ auf.

507 Pflichtspiele: Carsten Lichtlein (TBV Lemgo, VfL Gummersbach)

Carsten Lichtlein begann seine Handballkarriere bei TG Heidingsfeld und wechselte dann über die Zwischenstation TV Kirchzell zum Bundesligisten TV Großwallstadt. Von 2005 bis 2013 spielte er als Nachfolger von Christian Ramota beim TBV Lemgo. Zur Saison 2013/14 wechselte Lichtlein zum VfL Gummersbach. Sein Länderspieldebüt für die Deutsche Handballnationalmannschatf gab er am 27. November 2001 in Aichwald beim Spiel gegen Österreich. Bisweilen war Lichtlein bei über 220 Partien im Kader der Nationalmannschaft und zählt zu den aktuell erfahrensten Spielern. Für den Weltmeistertitel 2007 wurde er mit dem Silbernen Lorbeerblatt ausgezeichnet. Bei der Europameisterschaft 2016 in Polen wurde er mit der deutschen Mannschaft durch einen 24:17-Sieg über Spanien Europameister und zählt zum Kreise der sogenannten "Bad Boys". Bis heute ist Carsten Lichtlein als zuverlässiger Torhüter das Aushängeschild des Traditionsclubs VfL Gummersbach.

Foto: Sascha Klahn

500 Pflichtspiele: Thomas Knorr (THW Kiel, SG Flensburg-Handewitt, HSV Handball, VfL Bad Schwartau, SC Magdeburg)

1992 wechselte der junge Thomas Knorr zum THW Kiel. Mit den Kielern errang der Rückraumspieler in den folgenden Jahren sieben nationale und einen internationalen Titel. Nachdem er 1998 mit dem THW drei Titel gewann, wechselte er zum Ligarivalen SG Flensburg-Handewitt. Und auch mit den Flensburgern baute er seine imposante Titelsammlung weiter aus! So holte er den DHB-Supercup und sowie zwei Europapokale. 2001 zog es ihn dann wieder zum VfL Bad Schwartau. Nur ein Jahr später zog es ihn jedoch schn weiter und er wechselte zum neugeschaffenen HSV Handball. Mit den Hamburgern gewann er insgesamt vier weitere Vereinstitel.

Auch in der Nationalmannschaft machte sich Knorr einen Namen. Sein Debüt gab er am 22. März 1990 gegen die Niederlande. In seiner Länderspiellaufbahn warf er 199 Tore in 83 Spielen. Bei der Europameisterschaft 1996 wurde er mit 41 Toren Torschützenkönig. Außerdem nahm er an den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta teil.

Thomas Knorrs Medaillenschrank dürfte bis unter die Decke ragen. In seiner gesamten Laufbahn gewann der Rückraumshooter zwei Mal den DHB-Pokal, vier Mal die Deutsche Meisterschaft und den Supercup. Außerdem wurde er EHF Pokalsieger, Euro-City-Cupspieger und gewann den Europapokal der Pokalsieger.

500 Pflichtspiele: Mattias Andersson (THW Kiel, TV Großwallstadt, SG Flensburg-Handewitt)

Seit mittlerweile sechzehn Jahren wirft sich Mattias Andersson in der Handball-Bundesliga in jeden Ball, der auf sein Tor fliegt. Kaum vorstellbar, dass er 2018 seine erfolgreiche Karriere beenden wird. Kaum ein anderer Spieler kann eine solche Anzahl an Titeln aufweisen wie der 39-jährige Schwede. Mit fünf Deutschen Meisterschaften, drei DHB-Pokalsiegen und unter anderem zwei Champions League-Titeln hat der sympathische Torhüter fast alle Titel gewonnen, die es zu gewinnen gibt. Auf allen drei HBL-Stationen war und ist er absoluter Publikumsliebling. Nach sieben Jahren beim Rekordmeister aus Kiel, zog es ihn für drei Jahre zum TV Großwallstadt. Seit mittlerweile sechs Jahre steht er für die SG Flensburg-Handewitt zwischen den Pfosten und wird bei den Norddeutschen nach dieser Saison große Fußstapfen hinterlassen.

Fotos: Bergmann, Horstmüller, Klahn, Bergmann