22.08.2016  Intern

Deutscher Handball vor einer großen Zukunft

Der Gewinn der olympischen Bronzemedaille in Rio de Janeiro hat den Ehrgeiz der deutschen Handballprofis nicht gestillt. Sie wollen bei der WM 2017 in Frankreich um den Titel spielen. „Wir sind das Team der Zukunft“, sagte Bob Hanning, Vizepräsident Leistungssport im Deutschen Handballbund.

Die Sieger strahlten, na logisch. Die dänischen Profis, von denen Lasse Svan, Henrik Toft Hansen (beide SG Flensburg-Handewitt), René Toft Hansen, Niklas Landin (beide THW Kiel), Mads Mensah (Rhein-Neckar Löwen) sowie Kasper Mortensen, Morton Olsen (beide TSV Hannover-Burgdorf) und auch Yannik Green (SC Magdeburg) ihr Geld in der DKB-Handball-Bundesliga verdienen, feierten enthusiastich in der Future Arena das erste olympische Gold für das kleine skandinavische Land.
 
Links daneben stand, mit sehr betretenen Mienen, die entmachtete Equipe tricolore. Deren Stars Nikola Karabatic und Daniel Narcisse konnten es nicht fassen, das olympische Gold-Triple nicht vollendet zu haben. Und rechts auf dem Podium herrschte bei den deutschen Nationalspielern einfach nur pure Freude, als ihnen um 21 Uhr Ortszeit die Bronzemedaille umgehängt wurde. Jeder einzelne Handballer wurde, wie es üblich ist bei Olympischen Spielen, mit Namen aufgerufen.
 
Der dramatische K-o. im Halbfinale gegen Frankreich, als Daniel Narcisse ihnen den olympischen Traum zerstörte – er war also verarbeitet mit dem 31:25 (17:13)-Sieg im kleinen Finale gegen Polen. „Das ist einfach nur ein überragendes Gefühl, hier mit dieser Medaille zu stehen“, sagte Julius Kühn (VfL Gummersbach), der nun schon, obwohl er erst 19 Länderspiele in der Statistik stehen hat, nach dem EM-Gold im Januar schon die zweite Medaille in seinem Trophäenschrank ausstellen kann.
 
„Wir sind jetzt in der Weltspitze angekommen“, bilanzierte DHB-Vizepräsident Bob Hanning, der Delegationsleiter der deutschen Expedition. das Turnier am Zuckerhut. „Wenn mir einer vorher gesagt hätte, wir werden Europameister und holen Bronze bei Olympia, dann hätte ich das sicherlich in den kühnsten Träumen nicht gewagt zu träumen.“ „Wir haben in den letzten zwei Jahren sehr stabil gespielt und haben den EM-Titel mit dieser Medaille bestätigen können“, freute sich auch Bundestrainer Dagur Sigurdsson, der Architekt des blitzartigen Aufstiegs.
 
Daran sei erinnert: Der Isländer hatte das Team im August 2014 in einem desaströsen Zustand übernommen. Jetzt, nur zwei Jahre später, hat die DHB-Auswahl als einziges Team zweimal in Serie das Halbfinale eines großen Turniers erreicht. Und der dänische Sportdirektor Ulrik Wilbek urteilt, Dänemark, Frankreich und Deutschland stünden „ein Stück über den anderen Topmannschaften“.
 
Dieser Aufstieg war nur möglich, weil Sigurdsson mit jungen Typen wie Paul Drux, Fabian Wiede (beide Füchse), Kai Häfner (TSV Hannover-Burgdorf) und Kühn einen völlig neuen Rückraum positioniert hat, der sehr variabel und mit viel Tempo die gegnerischen Defensivmauern aufreißt. Drux erinnert viele ältere Fans mit seinem fantastischen Timing, das gepaart ist mit Torgefahr, an den großen Joachim Deckarm.
 
Und auch Kühns Shooterqualitäten haben das Angriffsspiel enorm bereichert. „Es wartet eine rosige Zukunft auf uns“, glaubt der 23-Jährige Halblinke. „Es sind noch sehr, sehr viele junge Spieler mit dabei, die bestimmt noch ein paar Jahre zusammen spielen. Daher denke ich, dass man in der Zukunft noch einiges erwarten kann.“
 
Über großartige Flügelspieler verfügte der deutsche Handball schon immer, Kapitän Uwe Gensheimer (Paris) und Rechtsaußen Tobias Reichmann (Kielce) unterstrichen in Rio ihre Weltklasse. Und da auch die Torleute Andreas Wolff (Kiel) und Silvio Heinevetter (Füchse) sowie die Kreisläufer Patrick Wiencek (THW Kiel) und Hendrik Pekeler (Löwen) noch lange nicht im Leistungszenit stehen, betrachtet nicht nur Hanning diese junge Auswahl als „das Team der Zukunft“.
 
Der Olympiasieg 2020 in Tokio sei „realistisch“, meinte Keeper Wolff nach dem Sieg im kleinen Finale. Aber viele seiner Kollegen richteten den Blick zunächst auf die WM 2017 in Frankreich, die schon in fünf Monaten angepfiffen wird. „Wir sind jung, wir sind hungrig, wir alle wollen den Erfolg“, hat Reichmann während des Turniers als Leitmotiv ausgegeben. Und natürlich wollen sie diese Scharte aus dem olympischen Halbfinale auswetzen, als sie trotz „mäßiger Leistung fast gegen Frankreich gewinnen konnten“ (Lemke).
 
Eine Selbstverständlichkeit freilich wäre eine neuerliche Halbfinalteilnahme oder gar ein Titel im Land des Titelverteidigers nicht. Vielmehr steht harte Arbeit an. In Frankreich würden acht oder neun Topmannschaften nach der Krone greifen, prophezeit Wilbek: „Und ich glaube, die Franzosen werden in Paris zurückschlagen.“
 
E. Eggers