20.08.2016  Intern

Spektakuläre Aufholjagd bleibt unbelohnt

Die deutschen Handballer begeistern in Rio de Janeiro mit einer spektakulären Aufholjagd, scheitern aber im olympischen Halbfinale unglücklich in letzter Sekunde. Nach dem bitteren 28:29 (13:16) gegen Titelverteidiger Frankreich geht es nun im kleinen Finale am Sonntag um Bronze.

Als Daniel Narcisse zum letzten Sprungwurf ansetzte, wurde es plötzlich leise in der Future Arena, über 10.000 Fans schauten gebannt auf diese Szene, die über dieses dramatische Halbfinale im olympischen Handballturnier entscheiden würde. Narcisse also stieg, zog aus halbrechter Position ab – und als er ins lange Eck traf, fielen die deutschen Profis reihenweise um. Und die Franzosen rannten auf Thierry Omeyer zu, jenen legendären Torwart, der sie mit seinen Paraden zum 29:28 (16:13)-Sieg gegen eine aufopferungsvoll kämpfende deutsche Mannschaft verholfen hatte.

„Wir haben einen Riesenfight geliefert und hätten die Verlängerung verdient gehabt“, sagte der tief enttäuschte Halblinke Julius Kühn (VfL Gummersbach), der mit acht Toren aus dem Rückraum ebenso glänzte wie Kapitän Uwe Gensheimer (Paris) mit 11/3 Treffern. „Das ist extrem bitter“, sagte Tobias Reichmann, der eine Minute vor Schluss eine furiose Aufholjagd zum 28:28 gekrönt und die Halle zum Rasen gebracht hatte. „Das darf uns nicht passieren, da müssen wir einfach cleverer spielen.“ Dem Rechtsaußen aus Kielce kamen, so deprimiert war er, die Tränen.

„Wir müssen jetzt versuchen, diese Enttäuschung in ein positives Gefühl für das Spiel um Bronze verwandeln“, sagte Bob Hanning, der Vizepräsident Leistungsport des Deutschen Handballbundes (DHB). Bundestrainer Dagur Sigurdsson sagte, man werde wieder aufstehen vor dem Spiel um Platz Drei am Sonntag. „Wir alle wollen die Medaille.“

Kreisläufer Hendrik Pekeler (Löwen), obwohl völlig frei am Kreis, setzte zu Beginn einen Aufsetzer über die Latte. Die bewegliche französische 6:0-Abwehr setzte dem jungen deutschen Positionsspiel, das Paul Drux, Fabian Wiede (beide Füchse Berlin) und Kai Häfner (TSV Hannover-Burgdorf) aufzogen, schwer zu. Bis zum 2:2 in der fünften Spielminute, das Kapitän Uwe Gensheimer (Paris) aus weiter Distanz ins leere Tor erzielte, konnte das Team von Dagur Sigurdsson mithalten.

Aber dann zogen die Franzosen das Tempo deutlich an. Die deutsche 5:1-Deckung, in der Pekeler als Sonderbewachung für den Superstar Nikola Karabatic zuständig war, sah in dieser Phase keinen Stich. Auch Torwart Andreas Wolff (THW Kiel) bekam keinen Ball an die Hand und wurde nach sechs Gegentoren durch Silvio Heinevetter (Berlin) 8:50 Minuten ersetzt. „Wir hatten kaum Paraden und haben fast alle Zweikämpfe gegen eine starke französische Mannschaft verloren, wir sind einfach nicht ins Spiel gekommen“, analysierte Sigurdsson den glatten Fehlstart.

So gerieten die Deutschen schnell in Rückstand. Immer wieder kamen die Franzosen völlig frei zum Wurf. Als Luka Karabatic vom Kreis zum 6:10 erhöhte (15.), drohte dem Europameister ein Debakel. Daraufhin griff Sigurdsson zum taktischen Mittel, durch fliegenden Wechsel einen zusätzlichen siebten Feldspieler zu bringen und stabilisierte auf diese Weise.

Vor allem Gensheimer kam mit seinen Würfen immer wieder an Omeyer vorbei und hielt die Deutschen mit sieben Toren im ersten Abschnitt im Spiel. Als Heinevetter dann in der 17. Minute gegen Linksaußen Michael Guigou den ersten Ball hielt, danach gegen den früheren Kieler Daniel Narcisse parierte und sich steigerte, schöpften die rund 500 deutschen Fans wieder Hoffnung.

Obwohl Sigurdsson ständig in Überzahl agieren ließ, konnte sein Team den Rückstand nicht wesentlich verkürzen. Als Häfner im Angriff ein Fehlpass unterlief, netzte Luc Abalo das Spielgerät zum 10:14 (25.) ins leere Tor. Angesichts der brüchigen Defensive konnten die deutschen Profis froh sein, dass die Partie zur Pause beim 16:13 noch nicht entschieden war.

Zu Beginn des zweiten Abschnitts brachte Sigurdsson wieder Wolff für Heinevetter, der zwar zwei Siebenmeter parierte, aber insgesamt nur auf drei Paraden kam (16 Prozent) und Minute 52 wieder durch den starken Heinevetter ersetzt wurde. Die Franzosen dominierten weiter und wirkten beim Stand von 22:15 (40.) schon wie der sichere Sieger.

Aber dann leitete Kühn mit seinen harten Sprungwürfen aus dem Rückraum die Wende ein, er traf nun, wie er wollte. Beim Stand von 27:25 (55.) scheiterte Gensheimer beim Tempogegenstoß an Omeyer, doch selbst diesen Rückschlag verkrafteten die Deutschen und konnten durch Reichmann tatsächlich ausgleichen. Die Franzosen nahmen nun clever die restliche Zeit von der Uhr und setzten alles auf diesen Moment von Narcisse – der alle deutschen Hoffnungen auf einen Olympiasieg wie eine Seifenblase platzen ließ.

Erik Eggers