14.01.2017  Handball Weltmeisterschaft

Dominiks WM-Tagebuch (2): Uwe Gensheimers Leistung verdient Respekt

Unser WM-Experte Dominik Klein kommentiert das Geschehen bei der Handball Weltmeisterschaft 2017 in Frankreich. Nach dem Auftaktsieg der Bad Boys zollt er Respekt gegenüber Kapitän Uwe Gensheimer und blickt auf den Gastgeber Frankreich.

Liebe Handball-Fans,

die WM hat Nantes schon fest in Beschlag genommen. Ich habe vor kurzem die Norweger getroffen, die ein wenig organisatorische Probleme bei ihrem Krafttraining hatten. Weil ihnen zwischenzeitlich kein ordentliches Fitnessstudio zur Verfügung stand, wollten sie schon selbst Langhanteln kaufen, um auf ihren Hotelzimmern zu trainieren. Ole Viken, mein alter Co-Trainer aus Kiel, der jetzt im norwegischen Trainerstab ist, ist eben ein Fitness-Freak. Die Brasilianer haben es sich in dieser Hinsicht leichter gemacht: Die Jungs haben sich einfach im Kraftraum in unserer Halle in Nantes ausgetobt.

 

Am Freitag hatten wir selbst wie gewohnt Training, aber die Nachmittagseinheit wurde extra ein bisschen vorgezogen, damit wir noch möglichst viel von den späten WM-Spielen sehen konnten. Da war ich zum Glück noch rechtzeitig für das deutsche Auftaktspiel zu Hause.

Die erste Halbzeit der deutschen Mannschaft war einfach nur beeindruckend. Die Abwehr hat richtig gut gestanden, da wurde Beton angemischt mit einem überragenden Silvio Heinevetter hinten drin. In der zweiten Hälfte hat mir dann auch die ungarische Mannschaft in der Deckung gut gefallen. Sie waren unglaublich agil und haben das Zentrum stark verdichtet. Das war einer der Hauptgründe, wieso das deutsche Angriffsspiel im zweiten Durchgang nicht mehr so flüssig lief und es dann sogar noch richtig eng wurde.

Aber Dagur hat mit der Hereinnahme des siebten Feldspielers auf die Probleme in der Offensive klug reagiert. Zuvor waren die Rückraumschützen um Steffen Fäth, Julius Kühn und Kai Häfner nicht mehr so gut zum Zug gekommen. Danach war vor allem auf den Außenpositionen mehr Platz für Uwe Gensheimer und Patrick Groetzki – und das haben die beiden klasse ausgenutzt.

Uwes Quote aus sieben Metern war sowieso phänomenal. Seiner Leistung kann man bei all den Umständen nur Respekt zollen. Aber ich denke,  Heine hat schon Recht, wenn er nach dem Spiel gesagt hat, auf dem Feld wird man einfach nur zum Handballer und blendet alles drum herum aus. Am Ende wird bei der WM schlicht und ergreifend Handball gespielt – und das auf aller höchstem Niveau. Und Uwe ist ein Voll-Profi, der sich wie kein zweiter fokussieren kann.

In den letzten Minuten war das Durchsetzungsvermögen von Kai Häfner dann auch noch ein entscheidender Faktor. Es hat mich richtig gefreut, zu sehen, wie er uns mit seinen Toren nach Eins-gegen-eins-Situationen weiter geholfen hat. Am Ende war Sieg meiner Ansicht nach völlig verdient.

Was mir nach dem Abpfiff aufgefallen ist, war, dass der Jubel über den Sieg relativ verhalten ausgefallen ist. Alle waren sichtlich ausgepowert und erleichtert, dass die 60 Minuten harter Kampf vorbei und die ersten Punkte eingefahren waren. Vielleicht gibt es im Hinterkopf auch eine gewisse Erwartungshaltung, dass man diesen Auftaktsieg fast eingeplant hatte, was mir sehr an der jungen deutschen Mannschaft gefällt. In jedem Fall: Gratulation an die Mannschaft, das war richtig stark!

Ein paar Sätze zu den Gastgebern und meiner neuen Heimat müssen natürlich auch noch sein: Ich habe das französische Auftaktspiel im Restaurant verfolgt. Da kam schon ein wenig WM-Stimmung auf, die Franzosen haben ordentlich mit gejubelt. Und sie hatten auch allen Grund dazu, das Spiel ließ aus französischer Sicht wenig zu wünschen übrig. Beide Torhüter waren überragend. In dieser Verfassung pflügen die Franzosen durch die Vorrunde, was sich gegen Japan ja schon bestätigt hat.

Die Mannschaft ist in der Breite unglaublich gut besetzt, jeder einzelne Spieler ist schon im Turnier und holt sich jetzt in der Gruppenphase seine Erfolgserlebnisse. Auf dem Weg ins Achtelfinale werden die Franzosen nicht mehr aufzuhalten sein.

Viele Grüße aus Nantes,

Euer „Mini“

 

Dominik Klein, 33, ist der WM-Experte der DKB Handball-Bundesliga. Seit dem Sommer 2016 spielt der Linksaußen für den französischen Spitzenklub HBC Nantes und kennt sich damit im Land des Gastgebers bestens aus. Zuvor war Klein für den TV Großwallstadt (2002-03, 2005-06), die SG Wallau-Massenheim (2003-2005) und den THW Kiel (2006-16) in der DKB Handball-Bundesliga aktiv und  avancierte zum absoluten Publikumsliebling. Seine Trophäensammlung ist rekordverdächtig: Mit den Zebras aus Kiel wurde Klein acht Mal Deutscher Meister, sechs Mal DHB-Pokalsieger und gewann drei Mal die EHF Champions League. Dazu kommen fünf Erfolge im Super Cup ein Titel bei der Klub-WM. Nicht minder beeindruckend ist Kleins Nationalmannschaftskarriere: In 187 Länderspielen erzielte der Rechtshänder 370 Treffer und holte den WM-Titel 2007 im eigenen Land.

Dominik Klein ist mit Isabell, der Spielführerin der deutschen Frauen-Nationalmannschaft, verheiratet. Das Paar hat einen gemeinsamen Sohn. Aus seiner neuen Heimat Nantes wird „Mini“ regelmäßig in Kolumnen für die DKB Handball-Bundesliga über das WM-Geschehen berichten und als „Außenreporter“ interessante Einblicke ins Land des Gastgebers geben.

 

Foto: Klahn