12.10.2017  2. HBL

TuSEM-Coach Siewert und Torhüter Bliß im Doppelinterview: "Jaron ist unser Anführer"

"Jugend forscht" lautet die Devise bei TuSEM Essen nicht nur auf dem Feld, sondern auch auf der Trainerbank. Mit dem 23-jährigen Jaron Siewert vertraut der Traditionsverein seit dem Sommer dem jüngsten Cheftrainer der Bundesligageschichte.

TuSEM Essen ist so etwas wie die Krabbelgruppe der 2. Handball-Bundesliga. Der Altersschnitt der selbst ernannten "Ruhrpottschmiede" liegt nur knapp über 22 Jahren, mit dem 23-jährigen Jaron Siewert hat seit dem Sommer der jüngste A-Lizenz-Inhaber und Cheftrainer der Bundesligageschichte sportlich das Ruder in der Hand. Die kuriose Folge: Ein halbes Dutzend Spieler im Essener Kader sind älter als ihr Cheftrainer, einer davon ist Torhüter Sebastian Bliß.

Im Doppelinterview geben die beiden Einblicke in die tägliche Zusammenarbeit und verraten, worin sie die Vorteile der Jugend-Maxime beim TuSEM sehen.

Herr Siewert, mit 20 Jahren entschieden Sie sich gegen eine Profi-Laufbahn als Aktiver und für eine Karriere als Trainer. Beschreiben Sie kurz Ihren ungewöhnlichen Werdegang.

Jaron Siewert: Ich habe ganz früh mit Handball angefangen, habe meine ganze Jugend bei den Füchsen Berlin durchlebt. Dort hat mich Bob Hanning zuerst als Spieler, dann später aber auch als Trainer-Aspirant, stark geprägt. Er hat mich darin bestärkt, dass ich als Trainer vielleicht noch mehr Potenzial habe als auf dem Spielfeld. Deswegen habe ich es einfach versucht und habe schnell alle Lizenzen erworben. Dann bekam ich die Möglichkeit, Co-Trainer der DHB-Jugendauswahl zu werden. Darüber bin ich den Verantwortlichen um Wolfgang Sommerfeld sehr dankbar. Und diesen Sommer kam eben der TuSEM Essen auf mich zu und ich bin unglaublich glücklich, dass ich hier meine ersten Schritte im Profi-Bereich machen darf.

Trauern Sie Ihrer Karriere auf dem Parkett, die immerhin bis in die Bundesligamannschaft der Füchse Berlin führte, nie nach?

Siewert: Bei den Füchsen ist der Übergang zwischen Jugend- und Erwachsenenbereich sehr fließend. Freie Plätze im Profi-Kader werden vorwiegend mit jungen Spielern aufgefüllt. Deswegen durfte auch ich als Nachwuchsspieler dort mitspielen und mittrainieren. Das war eine sehr lehrreiche Zeit mit Einsätzen in der Bundesliga und im EHF-Pokal. Aber ich würde gar nicht erst von einer Profi-Karriere sprechen. Eine Karriere wird es erst, wenn man dieses Niveau über einen längeren Zeitraum bestätigen kann.

Herr Bliß, normalerweise sind Trainer eine oder sogar zwei Generationen älter als ihre Spieler. Ihr Trainer ist vier Jahre jünger als Sie. Wie geht man damit um?

Bliß: Man denkt in der direkten Arbeit gar nicht über das Alter nach. Jaron hat von Natur aus eine positive Art und ist eine Autorität. Wenn er Vorgaben macht, hören alle darauf. Es gibt niemanden in der Mannschaft, der ihn nicht respektieren würde, nur weil er im gleichen Alter oder jünger ist. Jaron ist unser Anführer.

Sollte der Trend grundsätzlich zu jüngeren Trainern gehen?

Bliß: Ich denke, das Alter ist bei einem Coach nicht entscheidend. Es kommt darauf an, was er aus der Mannschaft herausholt. Und unter Jaron entwickeln wir uns immer weiter, er bringt viele frische Ideen mit. Aber allein die Tatsache, dass wir auch abseits des Spielfeldes ähnliche Interessen haben, ist schon angenehm und erleichtert vieles. Wir sind eigentlich im ständigen Austausch, auch neben dem Handball. Das ist eine super Basis für die Zusammenarbeit.

09.10.2017 - 2. HBL

TUSEM Essen erneut mit Niederlage - Dessau-R. HV gewinnt knapp

Der TUSEM Essen hat in der 2. Handball-Bundesliga eine Auswärtsniederlage kassiert. Beim Dessau-Roßlauer HV unterlag die Mannschaft von Trainer Jaron Siewert nur knapp mit 30:31 (16:17). Dabei wäre durchaus mehr drin gewesen.

In Essen steht der Fokus auf die Jugend über allem. Was bedeutet die Marschroute, "Ruhrpottschmiede" sein zu wollen, konkret?

Siewert: Es geht darum, dass die Spieler aus der Jugend das Ziel vor Augen haben, es in den Profi-Kader schaffen zu können. Sie bekommen die Möglichkeit, im Verein nach oben zu stoßen. Das ist ein riesen Ansporn. Ich kenne es aus Berlin ja gar nicht anders. Deswegen kann ich mich mit dieser Philosophie vollkommen identifizieren. Einige sehr junge Spieler wie Luca Witzke (18) oder Felix Käßler (18) sind schon wichtige Bausteine in der Mannschaft. Unser Kapitän Jonas Ellwanger ist auch gerade einmal 23 Jahre. Das spricht für das Potenzial, das in dieser Mannschaft schlummert. Vielleicht hat auf der anderen Seite in dem ein oder anderen knappen Spiel in dieser Saison ein bisschen Abgezocktheit gefehlt. Aber das verkraften wir. Der Mix stimmt, mit Richard Wöss oder Michael Kintrup haben wir auch erfahrenere Akteure im Kader. Und von der Erfahrung, die Michael Hegemann als Co-Trainer mitbringt, profitieren wir erst recht.

Wie kann der Spagat zwischen Nachwuchsförderung und sportlichem Erfolg gelingen? Aktuell steckt der TuSEM im Tabellenkeller.

Siewert: Momentan stehen drei Punkte auf unserem Konto. Das ist Fakt. Wir waren zum Beispiel gegen starke Mannschaften wie dem Bergischen HC oder Dessau aber ganz knapp dran. Im Profisport will man es natürlich nicht hören, dass man gut gespielt, aber nichts Zählbares mitgenommen hat. Aber man kann schon darauf aufbauen. Wir müssen uns mit unserer jungen Mannschaft keineswegs verstecken. Wir spielen Tempo-Handball, versuchen über eine gute Physis zu kommen. Wenn wir weiter engagiert arbeiten, bin ich fest davon überzeugt, dass wir bald den nächsten Schritt gehen, und dann auch diese engen Spiele für uns entscheiden.

Bliß: Mit so vielen jungen Spielern im Kader, wie wir es haben, besteht nie die Gefahr, dass man nachlässt. Jeder einzelne möchte sich weiterentwickeln. Jeder hat große Ziele vor Augen. Es ist eine unglaubliche Intensität in jeder Trainingseinheit, was Jaron wiederum auch von uns erwartet. Das wird sich sicher auszahlen.

Wie kann man sich das Mannschaftsgefüge bei all den Youngstern im Team vorstellen?

Bliß: Wir haben eine total flache Hierarchie in der Mannschaft. Irgendwann kommt man auch davon ab, darüber nachzudenken, wer jetzt älter oder jünger ist. Es zählt nur, wie sich die einzelnen Spieler einbringen. Natürlich haben wir unseren Kapitän und erfahrenere Spieler, die das Team in schwierigen Situationen anführen. Aber junge Spieler müssen sich bei uns nicht verstecken. Jeder kann seine Ideen einbringen. Das ist insgesamt ein super Gebilde.

Ein kurzer Ausblick auf den kommenden Spieltag: Sie empfangen am Freitag Eintracht Hildesheim. Wie lautet die Devise?

Siewert: Wir haben in den letzten Spielen schon gute Leistungen gezeigt, haben die ersten Punkte geholt. Und daran wollen wir anknüpfen. Hildesheim ist für uns ein direkter Konkurrent. Mit zwei Punkten könnten wir deswegen sowohl spielerisch, als auch in der Tabelle einen guten Schritt nach vorne machen.