20.09.2018  LIQUI MOLY HBL

SCM-Trainer Bennet Wiegert: „Wollen so lange wie möglich auf der Welle des Erfolgs schwimmen“

Der SC Magdeburg ist die Mannschaft der Stunde in der DKB Handball-Bundesliga. Mit sechs Siegen aus sechs Spielen haben die Magdeburger einen perfekten Saisonstart hingelegt und stehen an der Tabellenspitze. Im Interview berichtet SCM-Coach Bennet Wiegert, wie Team und Trainer mit der Euphorie umgehen, spricht über Planbarkeit im Leistungssport und erklärt, warum Vereinswechsel für ihn die Normalität darstellen.

Bennet, man hat aktuell das Gefühl, der Verein, die Fans und die Stadt reiten auf einer Euphoriewelle!

Bennet Wiegert: Ja, das Gefühl habe ich auch. Gerade die Stadt scheint fast schon elektrisiert zu sein, von dem, was wir spielen. Das ist natürlich immer auch verbunden mit Erwartungen, die aktuell nicht unbedingt kleiner werden. Damit tue ich mich noch ein bisschen schwer, da für mich Erwartungen immer auch der Anfang von Enttäuschungen sind. Ich wehre mich aber momentan auch nicht dagegen, da es ja eigentlich ein Wunschzustand ist, den wir gerade haben.

Und wie gehen du und die Mannschaft mit den steigenden Erwartungen um?

Bennet Wiegert: Ich bin Fan davon, diese Euphorie aufzusaugen und mitzunehmen und so lange wie möglich auf der Welle des Erfolgs zu schwimmen. Es ist ja kein Geheimnis, dass im Leistungssport mit Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen viele Sachen einfacher von der Hand gehen. Im Sport spricht man auch gerne vom `Flow`, den man erreichen möchte. Den wollen wir so lange wie möglich aufrechterhalten. Von daher versuche ich die zarte Pflanze, die wir da haben, bestmöglich zu hegen und zu pflegen, damit sie groß wird.

In den vergangenen beiden Jahren seid ihr eher schwer in die Saison gestartet, dieses Jahr habt ihr einen 12:0-Lauf hingelegt. War es abzusehen, dass sich hier etwas verändert hat im Vergleich zu den Vorjahren?

Bennet Wiegert: Nein, abzusehen ist so etwas nicht. Leider ist der Erfolg im Leistungssport ja nur bedingt planbar. Man kann nie absehen, wie es im Endeffekt läuft. Es wäre daher schwachsinnig und unrealistisch gewesen, wenn ich vor der Saison gesagt hätte, wir haben zum jetzigen Zeitpunkt 12:0 Punkte. Wir haben uns aber schon viel damit beschäftigt, dass wir in den letzten beiden Spielzeiten immer in der Rückrunde explodiert sind und uns darüber unterhalten, was gewesen wäre, wenn wir schon in der ersten Serie so gespielt hätten. Daher haben wir Taktiken ausgearbeitet, wie wir das hinbekommen können und bis zum jetzigen Zeitpunkt ist uns das relativ gut gelungen.

Verglichen mit beispielsweise den Rhein-Neckar Löwen oder der SG Flensburg-Handewitt hattet ihr mit nur zwei Neuzugängen eine große Kontinuität im Kader. Kommt euch das entgegen?

Bennet Wiegert: Ich würde das schon als Vorteil sehen. Ich bin Fan von Kontinuität im Kader, das ist aber nicht immer möglich. Es wird immer mal Phasen geben, in denen ein größerer oder kleinerer Umbruch nötig ist. In dieser Transferperiode war es bei uns aber so, dass wir nicht viele Wechsel vorgenommen haben, was gerade am Anfang durchaus ein Vorteil sein kann. Auf lange Sicht kann es aber auch wieder nötig werden, neue Reizpunkte zu setzen, wenn man sich schon relativ lange kennt und alles etwas eingefahren ist. Flensburg zum Beispiel scheinen die vielen Neuzugänge ja auch nicht sonderlich zu stören.

Etwas mehr Bewegung im Kader wird es zur neuen Saison geben. In Dario Quensted und Robert Weber haben zwei Leistungsträger ihren Abschied zum Saisonende bereits angekündigt, trotzdem läuft es weiter rund bei euch. Das ist nicht unbedingt selbstverständlich.

Bennet Wiegert: Das sollte es meiner Meinung nach aber sein. Wir bewegen uns hier im Leistungssport und da ist es normal, dass man nach einer längeren gemeinsamen Zeit vielleicht auch nicht mehr zusammenkommt oder dass eine der beiden Parteien eine andere Vorstellung hat. Ich gehe da sehr professionell mit um und sehe das eher als die Normalität an. Für mich ist es vielmehr ein Luxus, wenn man tatsächlich über einen langen Zeitraum zusammenarbeitet. Das ist aber nicht der Punkt, der über den Erfolg entscheidet. Die beiden Jungs gehen sehr gut mit der Situation um und genauso professionell wollen wir damit umgehen, auch wenn sie sich gegen uns entschieden haben.

Für euch entschieden hat sich auf jeden Fall Matthias Musche, der gerade erst bis 2024 verlängert hat. Er war schon immer ein Leistungsträger beim SCM, man hat aber das Gefühl, dass er aktuell geradezu explodiert.

Bennet Wiegert: Ich sehe das als eine normale Entwicklung bei ihm. Obwohl er noch ein recht junger Spieler ist, hat er schon eine Menge Erfahrung. Das wird noch weiter nach vorne gehen. Ich bin mir sicher, dass er selbst auf seinem jetzigen Stand noch nicht seine volle Leistungsfähigkeit erreicht hat. Er hat einfach verstanden, welches Level er mit harter Arbeit und einer professionellen Einstellung, auch neben dem Feld, erreichen kann. Das ist schön zu beobachten, für mich aber wie gesagt keine riesen Überraschung und aktuell sicher auch eine Kombination aus seiner persönlichen Entwicklung und der starken Mannschaftsleistung.

Aktuell hat außer dem SC Magdeburg nur die SG Flensburg-Handewitt eine perfekte Punkteausbeute. Spricht es für die Liga, dass zahlreiche Favoriten schon Punkte abgegeben haben?

Bennet Wiegert: Das tut der Liga nur gut und macht das Meisterrennen noch interessanter. Ich habe immer gesagt und gehofft, dass die Ligaspitze noch weiter zusammenrücken wird und die Top drei der letzten Jahre Zuwachs bekommen werden. Ich habe beispielsweise Melsungen, Kiel oder Berlin noch längst nicht abgeschrieben, auch wenn sie schon ein paar Punkte verloren haben. Da werden viele Teams sehr lange vorne mitmischen. Diese Entwicklung freut jeden normalen Handballfan und mich daher auch. Ich glaube auch, dass sich die Top drei dagegen gar nicht wehren werden. Ich habe oft mit Spielern gesprochen, die meinten `Mensch, die Bundesliga ist so hart, da darfst du kein Spiel verlieren, sonst verlierst du die Meisterschaft`. Es ist nur gut für die Liga, wenn sich die Mannschaften auch mal gegenseitig die Punkte wegnehmen und es nicht nur auf ein Spiel oder gar das Torverhältnis ankommt.

Damit eng verbunden ist die Frage nach dem Stellenwert der DKB Handball-Bundesliga im Vergleich zu anderen Ligen, die in den vergangenen zwei Wochen wieder verstärkt im Fokus war. Wie stehst du zu diesem Thema?

Bennet Wiegert: Meine subjektive Meinung ist, dass die DKB HBL nach wie vor unumstritten die stärkste Liga ist, gerade auch was die Breite angeht. Ich glaube, ich habe da einen ganz guten Überblick, was andere Ligen in Europa angeht, da wir selbst Europapokal spielen und ich intensiv die Champions League verfolge. Es gibt sicher andere Länder, die nachziehen, aber da gibt es ein, zwei, vielleicht mal drei Topklubs. Das soll nicht respektlos klingen, ich sehe uns aber nach wie vor als stärkste Liga der Welt. Wenn ich aber mit älteren Spielern spreche, die jahrelang in der DKB Handball-Bundesliga gespielt haben, dann machen die sich schon ihre Gedanken. Ist die Belastung in anderen Ligen nicht besser für meinen Körper, kann ich da vielleicht ein, zwei Jahre länger spielen, wenn ich nicht jedes Spiel voll gefordert bin. Ob das aber ein Problem der Liga sein soll oder der Spieler, das muss jeder selbst entscheiden.

Vielen Dank für das Gespräch!

Foto: Vogler