08.11.2018  LIQUI MOLY HBL

Siebenmeter-Rekordmann Carsten Lichtlein: „Als Torhüter hast du nichts zu verlieren“

Kein Torhüter hat in der Geschichte der DKB Handball-Bundesliga mehr Siebenmeter gehalten als Carsten Lichtlein. Den bisherigen Rekordhalter Jan Holpert (476) hatte er bereits vor mehr als einem Jahr eingeholt, vergangenen Sonntag knackte Lichtlein die Marke von 500 gehaltenen Strafwürfen. Im Interview berichtet der Europameister von 2016 von seinem Erfolgsgeheimnis, analysiert die Situation seines VfL Gummersbach und spricht über seinen Wechsel zum HC Erlangen.

Carsten, du hast die nächste Schallmauer durchbrochen und gegen die HSG Wetzlar deinen insgesamt 500. Siebenmeter in der DKB HBL gehalten. Bedeutet dir diese Zahl etwas?

Carsten Lichtlein: Rekorde sind zwar etwas Schönes, so eine Zahl ist für die Statistiker und Historiker aber wichtiger als für mich. Mir wären die zwei Punkte gegen Wetzlar lieber gewesen. Für den 500. gehaltenen Siebenmeter hätte ich noch mehrere Spiele Zeit gehabt, die zwei Punkte hätten uns aber direkt weitergeholfen.

Was bedeuten dir Rekorde allgemein?

Carsten Lichtlein: Klar ist es schön, wenn man Rekorde aufstellt. Es wäre gelogen, wenn man behauptet, das bedeutet einem nichts. Wenn man aber jedes Wochenende auf der Platte steht, liegt der Fokus ganz auf dem Spiel selbst. Da verliert man solche Zahlen aus dem Blick.

 

500 Siebenmeter halten sich nicht von alleine. Was ist dein Erfolgsgeheimnis?

Carsten Lichtlein: Ich bereite mich auf jedes Spiel und jeden Schützen per Videostudium akribisch vor. Auf der anderen Seite versuche ich meine Reichweite zu nutzen und komme weit aus dem Tor, so dass der Schütze möglichst wenig vom Tor sieht. Als Torhüter hast du nichts zu verlieren, der Druck liegt ganz klar beim Schützen. Der steht frei vor dir und muss treffen. 

Nach 18 Jahren HBL kennst du doch sicher die meisten Schützen schon in- und auswendig?

Carsten Lichtlein: Klar, gegen die meisten habe ich schon so oft gespielt, da kennt man die Wurfbilder. Es gibt natürlich Schützen, die liegen einem, aber es gibt auch Kandidaten, auf die kann man sich nicht so einfach einstellen. Anders Eggert war so einer, der mit seinen Trickwürfen und Varianten ganz schwer auszurechnen war. Einfacher ist es auf jeden Fall gegen Spieler, die den direkten, geraden Wurf suchen.

Du hast es eingangs ja schon angedeutet: Außer deinem 500. gehaltenen Siebenmeter gab es gegen Wetzlar nicht sehr viele Gründe zum Jubeln. Wie bewertest du eure aktuelle Situation?

Carsten Lichtlein: Durch die Niederlage haben wir jetzt wieder einen gewissen Druck. Hätten wir da die Punkte sieben und acht geholt, hätten wir den Kontakt zum Mittelfeld nicht verloren. So müssen wir wieder nach unten schauen. Und mit den kommenden, schweren Aufgaben, wird die Situation nicht leichter. Wir haben keinen so breiten Kader, als dass wir Ausfälle wie den von Stanislav Zhukov einfach so wegstecken können. Aktuell liegt die Hauptlast im Angriff bei Drago Vukovic und Pouya Norouzi. Wenn dann aber diverse Faktoren in unserem Spiel ausfallen, können wir das nicht kompensieren, wie wir gegen Wetzlar aufgezeigt bekommen haben.

Am Sonntag steht das prestigeträchtige Derby beim BHC an. Eigentlich sind zwei Punkte gegen einen Aufsteiger extrem wichtig für euch. Was rechnet ihr euch gegen die starken Löwen aus?

Carsten Lichtlein: Wenn man die Mannschaft des BHC sieht, was für einen breiten Kader und was für eine Qualität die besitzen, muss man sagen, der BHC ist kein normaler Aufsteiger. Die haben nicht umsonst schon so viele Punkte gesammelt und haben mächtig Selbstvertrauen. Ein Derby hat aber seine eigenen Gesetze und seit ich beim VfL bin, haben wir mehr Derbys gewonnen als verloren. Das soll auch so bleiben. Wir wollen auch am Sonntag mindestens einen Punkt mitnehmen, auch wenn wir wissen, dass es sehr schwer wird. 

Nach der Saison wechselst du zum HC Erlangen. Was waren deine Hauptbeweggründe?

Carsten Lichtlein: Meine Familie wohnt in der Nähe von Würzburg und hat in den letzten Jahren viele Kilometer auf der Autobahn verbracht, um mich zu besuchen. Nach Lemgo waren es 380 Kilometer, nach Gummersbach 250. Daher war es logisch gegen Ende der Karriere so langsam wieder Richtung Heimat zu wechseln.

Du bist am Wochenende 38 geworden und hast schon 18 Jahre HBL gespielt. Wie viele Jahre kommen noch dazu?

Carsten Lichtlein: Mindestens zwei (lacht). Ich hatte bisher noch keine größere Verletzung und so lange das Feuer noch in mir brennt, will ich auch noch weiterspielen. Ich habe ja mein Hobby zum Beruf gemacht und immer noch großen Spaß und Lust. Ich habe jetzt für zwei Jahre in Erlangen unterschrieben und was danach ist, kann ich noch nicht sagen. Aber solange die Leistung passt und ich noch Lust habe, warum sollte ich nicht noch weiterspielen.

Welche Ziele hast du noch mit Erlangen?

Carsten Lichtlein: Der HCE hat mich ja nicht umsonst verpflichtet. Erlangen will weg von den unteren Tabellenregionen und hat dafür auch noch einen kroatischen Nationalspieler verpflichtet. Das sind schon gute Zeichen, dass man langfristig was aufbauen will. Teil davon zu sein, finde ich spannend und hoffe natürlich in meiner fränkischen Heimat dazu beizutragen, dass die Fans schönen Handball zu sehen bekommen.

Jetzt liegt aber mein voller Fokus auf dem VfL. Ich will nicht wieder in die gleiche Situation kommen wie in den vergangenen zwei Jahren. Das Potenzial ist auf jeden Fall da, dass wir uns früher von den Abstiegsplätzen entfernen können als in der Vergangenheit. Ich werde bis zum Schluss alles für den Klassenerhalt und den VfL geben.

Vielen Dank für das Gespräch!