18.01.2019  Handball Weltmeisterschaft

Henning Fritz - Die WM-Kolumne: Die Mannschaft muss sich von der Atmosphäre in Köln anstecken lassen

In seiner WM-Kolumne für die DKB Handball-Bundesliga erörtert Welthandballer Henning Fritz das Geschehen rund um die Heim-Weltmeisterschaft - natürlich mit besonderem Augenmerk auf die deutsche Mannschaft. In der fünften Ausgabe hebt Fritz drei DHB-Spieler besonders hervor.

Liebe Handballfans,

die deutsche Nationalmannschaft hat die Vorrunde in Berlin großartig zu Ende gebracht. Serbien war zum Abschluss nicht mehr die allergrößte Herausforderung, die Konstellation in Richtung Hauptrunde stand schon nach dem Spiel gegen Frankreich so gut wie fest. Deshalb hat der Bundestrainer die Chance genutzt, angeschlagene Spieler wie Steffen Weinhold zu schonen.

Die Vorrunde stimmt nun auf jeden Fall optimistisch für den weiteren Turnierverlauf. Ich glaube, ein ganz entscheidendes Spiel war der Sieg der Brasilianer gegen Russland. Diese Schützenhilfe der Selecao war nicht von vornherein zu erwarten und hat nach dem Unentschieden gegen Russland noch einmal eine ganz neue Dynamik für die deutsche Mannschaft in die Vorrunde gebracht. Wäre Russland statt Brasilien in die Hauptrunde weitergekommen, wäre die Situation für die deutsche Mannschaft deutlich schwieriger gewesen.

Sportlich war, wie schon vor Turnierbeginn erwartet, die Abwehr und das Torhüterspiel unser großes Prunkstück in Berlin. Im Angriff haben wir sicher noch etwas Luft nach oben - gerade in den entscheidenden Phasen. Als es richtig eng wurde, haben wir uns gegen Russland und Frankreich den ein oder anderen Fehler zu viel geleistet. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Mannschaft daraus lernt und sich stetig weiterentwickelt. Phasenweise hat das Team ja bereits bewiesen, dass es kaum zu schlagen ist, wenn es sein Optimum abruft.

Besonders gut gefallen in der Vorrunde hat mir Jannik Kohlbacher. Er hatte zwar nicht übermäßig viele Spielanteile. Wenn er auf der Platte stand, hat er aber immer auf ganzer Linie überzeugt - zuletzt gegen die Serben. Alle seine Aktionen, seien es Sperren, das Schaffen von Räumen am Kreise, seine Torabschlüsse oder sein Deckungsspiel, haben Hand und Fuß. Jannik sticht einfach positiv heraus.

Auch die Berliner Fabian Wiede und Paul Drux haben ihre Sache sehr gut gemacht. Fabian überzeugt mit seiner Kreativität im Angriff. Bei Paul wissen wir, wie stark er spielen kann, wenn ihn nicht gerade eine Verletzung zurück wirft. Er hat seine Stärke im Eins-gegen-Eins immer wieder hervorragend eingebracht. Alle drei gehören ja noch zu den jüngeren Spielern im Team, gehen mit dem Druck einer Heim-WM aber sehr souverän um. Das verdient Respekt!

Jetzt geht es in der Hauptrunde in Köln weiter. Die LANXESS Arena ist für ihre einmalige Atmosphäre bekannt, ob das nun bei der WM 2007 war, bei den Final-Four-Turnieren in der EHF Champions League oder bei diversen Ligaspielen. Allein die Größe der Halle mit knapp 20.000 Zuschauern ist beeindruckend. Dazu sind die Kölner traditionell sehr begeisterungsfähig. Es ist für jeden Sportler ein absolutes Highlight, dort aufzulaufen, und ich wünsche der Mannschaft, dass sie sich von dieser tollen Atmosphäre anstecken lassen wird.

Sportlich warten in der Hauptrunde Island, Spanien und Kroatien auf die deutsche Mannschaft. Von diesen dreien ist Island wahrscheinlich noch die machbarste Aufgabe. Deswegen könnte das Duell gegen die Isländer ein guter Einstieg in die Hauptrunde sein, um weiter Selbstbewusstsein zu tanken. Aber nichtsdestotrotz ist Vorsicht geboten: Die Isländer sind individuell stark, lassen den Ball sehr schnell laufen. Mit Aron Palmarsson haben sie einen Spielmacher, der im Eins-gegen-Eins, in Sachen Übersicht und Abschlussstärke Weltklasse ist. Und die jungen Spieler an seiner Seite sind komplett unbekümmert, nehmen ihre Aufgaben mit viel Leidenschaft an. Sie können die deutsche Mannschaft also in jedem Fall in Bedrängnis bringen.

In der anderen Hauptrundegruppe dominieren die Skandinavier. Dänemark, Schweden und auch Norwegen haben bislang wirklich reihenweise starke Auftritte in der Vorrunde hingelegt. Egal wer sich aus diesem Trio für das Halbfinale in Hamburg qualifizieren wird, wird nur sehr schwer zu schlagen sein.

Aber das ist noch Zukunftsmusik. Erst einmal gilt es die deutsche Mannschaft weiter dabei zu unterstützen, ihren Traum vom Halbfinale wahr zu machen. Ich wünsche euch viel Spaß dabei!

Euer Henning

Über Henning Fritz

Henning Fritz (44) zählt zu den erfolgreichsten deutschen Handball-Torhütern aller Zeiten. Seine ruhmreiche Karriere begann der 235-malige Nationalspieler bei seinem Heimatverein SC Magdeburg. Mit den Bördeländern wurde Fritz Deutscher Meister und DHB-Pokalsieger. Anschließend gewann der Welthandballer des Jahres 2004 mit dem THW Kiel alle Titel, die es auf der Vereinsebene zu gewinnen gibt. 2012 beendete Fritz seine aktive Karriere bei den Rhein-Neckar Löwen. Auch in der Nationalmannschaft zählte der Schlussmann in den 90er und 00er Jahren zu den unumstrittenen Säulen. Fritz gehörte zur "goldenen Generation", die 2004 erst Europameister wurde und später bei den Olympischen Spielen in Athen Silber gewann. Bei der Heim-WM 2007 krönte der Magdeburger seine Karriere mit dem Titel im "Wintermärchen". Mittlerweile ist Fritz als Experte für das Medienunternehmen Sky und für Neuronavi, einen Hersteller mobiler Regenerationsgeräte, tätig.

Foto: Klahn