22.01.2019  Handball Weltmeisterschaft

Henning Fritz - Die WM-Kolumne: Wiencek und Pekeler sind unsere Felsen

In seiner WM-Kolumne für die DKB Handball-Bundesliga erörtert Welthandballer Henning Fritz das Geschehen rund um die Heim-Weltmeisterschaft - natürlich mit besonderem Augenmerk auf die deutsche Mannschaft.

Liebe Handballfans,

was für ein unglaublich dramatisches Hauptrundespiel gegen Kroatien! Das Spiel wurde das erwartet umkämpfte Duell, spannend bis zur letzten Sekunde. Am Ende hatte aber die deutsche Mannschaft das bessere Ende für sich und steht damit schon vorzeitig im Halbfinale. Wahnsinn, wer hätte damit vor Turnierbeginn gerechnet? Ich könnte mich nicht daran erinnern, dass es mir in meiner Karriere einmal vergönnt gewesen wäre, schon vor dem letzten Hauptrundenspiel weiter zu sein.

Besonders imponiert hat mir am Montag wieder Fabian Wiede. Wie er sich in der entscheidenden Phase einbringt, ist einfach beeindruckend. Auch Steffen Fäth und Jannik Kohlbacher haben überzeugt. Dazu war die Abwehr wieder das gewohnte Bollwerk. Mit Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler haben wir zwei richtige Felsen im Zentrum. Darauf baut unsere gesamte Deckungsarbeit auf und davon profitieren auch die Halbpositionen. Jeder kann sich auf seinen Nebenmann verlassen und sich dadurch voll und ganz auf seinen direkten Gegenspieler konzentrieren. Die Weltklasse von Wiencek und Pekeler strahlt also gewissermaßen nach außen aus. Bestes Beispiel ist Jannik Kohlbacher, der neben den beiden inzwischen sein volles Potenzial in der Deckung ausschöpft und zu einer festen Größe geworden ist.

Und dahinter hält Andreas Wolff die wenigen Bälle, die überhaupt auf sein Tor kommen. Die Situation für ihn ist gar nicht so einfach wie man vielleicht denken würde. Er bekommt wenige Möglichkeiten, sich auszuzeichnen, ist aber immer voll zur Stelle. Das sind für mich die Schlüsselfaktoren für den deutschen Erfolg.

Die Verletzung von Martin Strobel früh im Spiel war zunächst sicher ein Schock für die Mannschaft, weil er bis dahin das deutsche Spiel sehr umsichtig geleitet hat. Glücklicherweise haben wir das Spiel dennoch gewonnen. An dieser Stelle natürlich gute Besserung und nur die besten Wünsche an Martin! So tragisch die Verletzung für ihn persönlich auch ist, muss meiner Erfahrung nach der Fokus der Mannschaft schnell wieder in Richtung des nächsten Spiels gehen.

Als Ersatz hat Bundestrainer Christian Prokop Tim Suton nachnomminiert. Tim hat aufgrund seiner Torgefahr und individuellen Stärke sicher seine Möglichkeiten, sich einzubringen. Auf der anderen Seite haben wir auch viele weitere Optionen im Kader. Paul Drux kann auf der Mitte spielen, auch Fabian Böhm. In der Breite sind wir so stark, dass wir die Möglichkeit haben, Ausfälle wie die von Martin zu kompensieren.

Das Spiel gegen Spanien könnten wir jetzt sogar taktisch angehen und versuchen, so zu spielen, dass wir im Halbfinale in Hamburg auf Dänemark treffen. Die Wahrscheinlichkeit, den vermeintlich größten Titel-Konkurrenten auf heimischen Boden aus dem Weg zu räumen, ist sicher größer als in Dänemark. Als Sportler will man aber normalerweise jedes Spiel gewinnen. Deswegen haben diese Option wahrscheinlich eher die Trainer im Blick. Die Spieler würden sich aber wahrscheinlich am liebsten mit einem Sieg aus Köln verabschieden und damit ungeschlagen ins Halbfinale gehen.

Euer Henning

Über Henning Fritz

Henning Fritz (44) zählt zu den erfolgreichsten deutschen Handball-Torhütern aller Zeiten. Seine ruhmreiche Karriere begann der 235-malige Nationalspieler bei seinem Heimatverein SC Magdeburg. Mit den Bördeländern wurde Fritz Deutscher Meister und DHB-Pokalsieger. Anschließend gewann der Welthandballer des Jahres 2004 mit dem THW Kiel alle Titel, die es auf der Vereinsebene zu gewinnen gibt. 2012 beendete Fritz seine aktive Karriere bei den Rhein-Neckar Löwen. Auch in der Nationalmannschaft zählte der Schlussmann in den 90er und 00er Jahren zu den unumstrittenen Säulen. Fritz gehörte zur "goldenen Generation", die 2004 erst Europameister wurde und später bei den Olympischen Spielen in Athen Silber gewann. Bei der Heim-WM 2007 krönte der Magdeburger seine Karriere mit dem Titel im "Wintermärchen". Mittlerweile ist Fritz als Experte für das Medienunternehmen Sky und für Neuronavi, einen Hersteller mobiler Regenerationsgeräte, tätig.

Foto: Klahn