10.01.2017  Handball Weltmeisterschaft

Dominiks WM-Tagebuch (1): Holger Glandorf ist das deutsche Ass im Ärmel

Unser WM-Experte Dominik Klein kommentiert das Geschehen bei der Handball Weltmeisterschaft 2017 in Frankreich. Kurz vor Turnierstart traut er der deutschen Mannschaft einiges zu, eine besondere Rolle könnte ein altbekannter Rückkehrer spielen.

Liebe Handball-Fans,

nach zwei freien Wochen hat für mich wieder die Vorbereitung in Nantes begonnen. Und wie in Deutschland ist auch hier in meiner neuen Heimat die WM, die am Mittwoch mit dem Eröffnungsspiel zwischen Frankreich und Brasilien (LIVE auf https://handball.dkb.de) in Paris beginnt, das bestimmende Thema.

Die WM-Euphorie in Frankreich wird langsam richtig greifbar. In der L’Equipe, der größten französischen Sportzeitung, stehen die Nachrichten zur Handball-WM inzwischen ganz vorne, vor Fußball und dem restlichen Sportgeschehen. Die Nationalspieler sind im Alltag allgegenwärtig, im Supermarkt stehen Aufsteller, es laufen TV-Werbespots und es gibt Stickeralben wie in Deutschland. Die Bilder vom letzten Testspiel der Franzosen in Montpellier, als die Zuschauer auf der Tribüne komplett in den Nationalfarben gekleidet waren, waren schon beeindruckend.

Sportlich könnte es um den Gastgeber kaum besser stehen. Die französischen Testspiele sind alle gut gelaufen, kein Akteur hat sich in der Vorbereitung verletzt. Ganz klar, die Franzosen sind Top-Favorit im eigenen Land und dieser Rolle werden sie sicherlich auch gerecht. Das trägt natürlich nochmal zur Vorfreude im Land bei.

Trotzdem glaube ich, dass der Auftakt gegen Brasilien keine klare Angelegenheit wird. Deshalb habe ich beim WM-Tippspiel auch nur auf ein 27:23 für Frankreich getippt. Bei so einem besonderen Auftakt-Match spielt immer auch die Nervosität eine Rolle – und ganz unabhängig davon haben die Brasilianer selbst eine ganz ordentliche Mannschaft. Es könnte also durchaus zu einer Parallele  zu unserer deutschen Heim-WM 2007 kommen, bei der wir zum Auftakt gegen Brasilien in Berlin einen eher holprigen Start hingelegt, danach aber eine ganz schöne Welle los getreten haben. So stellen sich das die Franzosen ganz sicher auch vor.

Spätestens seit der EM haben die Franzosen aber auch gehörigen Respekt vor der deutschen Mannschaft. Und die deutlichen Testspielsiege des DHB-Teams dürften weiteren Eindruck hinterlassen haben. Gegen Österreich fand ich vor allem die Abwehrleistung herausragend. Meiner Meinung nach haben wir mit Andreas Wolff und Silvio Heinevetter das stärkste Torhüter-Duo der WM. Dazu kann die Abwehr um Patrick Wiencek und Finn Lemke Beton anrühren. Und das Pik-Ass in Dagur Sigurdssons Teamgefüge könnte Holger Glandorf werden. Holger ist eine Waffe, er hat in der Bundesliga immer wieder bewiesen, dass er Spiele im Alleingang gewinnen kann. Ihn beim letzten Testspiel auflaufen zu lassen und in die Spielabläufe zu integrieren, kann ein genialer Schachzug gewesen sein.

Nichtsdestotrotz wird der größte Star wieder die Mannschaft sein. Deswegen kann man es sich auch erlauben, erst einmal mit 15 Spielern nach Frankreich zu reisen, und den letzten Kaderplatz offen zu halten. Die Jungs sind unglaublich heiß. Als Team werden es die Bad Boys auffangen können, dass mit Kai Häfner momentan nur ein nomineller rechter Rückraumspieler zur Verfügung steht.

Durch den letzten freien Platz, der mit einem Spieler aufgefüllt werden kann, der zu Hause auf einen Einsatz wartet, ergeben sich für Dagur viele Optionen. Ich bin gespannt, wie er damit taktieren wird. Der Spielplan mit zwei vermeintlich leichten Gruppenspielen gegen Saudi-Arabien und Chile würde es ja allemal zulassen, dass er sich erst recht spät entscheidet.

 

Viele Grüße aus Nantes,

Euer „Mini“

 

Dominik Klein, 33, ist der WM-Experte der DKB Handball-Bundesliga. Seit dem Sommer 2016 spielt der Linksaußen für den französischen Spitzenklub HBC Nantes und kennt sich damit im Land des Gastgebers bestens aus. Zuvor war Klein für den TV Großwallstadt (2002-03, 2005-06), die SG Wallau-Massenheim (2003-2005) und den THW Kiel (2006-16) in der DKB Handball-Bundesliga aktiv und  avancierte zum absoluten Publikumsliebling. Seine Trophäensammlung ist rekordverdächtig: Mit den Zebras aus Kiel wurde Klein acht Mal Deutscher Meister, sechs Mal DHB-Pokalsieger und gewann drei Mal die EHF Champions League. Dazu kommen fünf Erfolge im Super Cup ein Titel bei der Klub-WM. Nicht minder beeindruckend ist Kleins Nationalmannschaftskarriere: In 187 Länderspielen erzielte der Rechtshänder 370 Treffer und holte den WM-Titel 2007 im eigenen Land.

Dominik Klein ist mit Isabell, der Spielführerin der deutschen Frauen-Nationalmannschaft, verheiratet. Das Paar hat einen gemeinsamen Sohn. Aus seiner neuen Heimat Nantes wird „Mini“ regelmäßig in Kolumnen für die DKB Handball-Bundesliga über das WM-Geschehen berichten und als „Außenreporter“ interessante Einblicke ins Land des Gastgebers geben.