17.01.2019  Handball Weltmeisterschaft

Medaillentraum lebt: Schlaflose Handballer beschwören "Geist von 2019"

Nach dem "besten Länderspiel seit zwei Jahren" wächst bei den deutschen Handballern der Glaube an etwas ganz Großes. Das Team beschwört bei der Heim-WM den "Geist von 2019", der Medaillentraum lebt!

Andreas Wolff schaute völlig übernächtigt in die Runde. Seine Augenringe waren nicht zu übersehen. Kein Wunder: Als Bundestrainer Christian Prokop um zwei Uhr in der Früh das Licht ausknipste, lag der Torhüter der deutschen Handballer noch immer hellwach auf seinem Zimmer. Vollgepumpt mit Adrenalin. Die Bilder des furiosen 25:25 im WM-Krimi gegen Weltmeister Frankreich schwirrten ihm noch lange im Kopf herum.

"Ich bin etwas müde. Ich habe erst um vier Uhr die Augen zu bekommen", berichtete Wolff am Mittwoch während der Pressekonferenz: "Das Spiel wirkte euphorisierend. Ich habe richtig Bock auf die kommenden Spiele. Wir wollen das Turnier unbedingt erfolgreich abschließen."

Die Voraussetzungen dafür sind geschaffen: Unabhängig vom abschließenden Vorrundenspiel gegen Serbien am heutigen Donnerstag (18.00 Uhr/ARD) geht es in der Hauptrunde im deutschen Handball-"Wohnzimmer" (Wolff) in Köln ab Samstag mit wohl glänzenden Aussichten um den Einzug ins Halbfinale. Der Medaillentraum lebt!

Auch Wolffs Zimmerkollege Jannik Kohlbacher, der "sonst nach drei Sekunden schnarcht, als ob er ganz Brasilien abholzen will", konnte nach dem famosen Auftritt im Hexenkessel von Berlin nicht einschlafen, verriet Wolff: "Da wusste ich: Okay, das wird eine harte Nacht für mich. Und so ist es dann auch gekommen."

Die Wut und der Frust nach dem Ausgleich in der Schlusssekunde waren spätestens da vollkommen verflogen. Nicht nur bei Wolff wuchs nach dem "besten Länderspiel einer deutschen Nationalmannschaft seit zwei Jahren" (DHB-Vizepräsident Bob Hanning) der Glaube an etwas ganz Großes. Durch den Punktgewinn erreichte das DHB-Team nicht bloß vorzeitig das erste Etappenziel, es versetzte Deutschland endgültig ins Handball-Fieber.

"Wir haben gesehen, dass wir mit diesen Tugenden Kampfgeist, Disziplin, Teamgeist, aber auch Spielfreude ganz viel erreichen können", sagte Coach Prokop und geriet ins Schwärmen: "Hier ist kein Querulant im Team, kein Ego. Die fighten füreinander, stehen füreinander ein. Das machen besondere und große Mannschaften aus." Die WM-Euphorie wolle sein Team nun "weiter befeuern. Dafür brauchen wir unsere Fans."

Der DHB-Coach hatte allen Grund für seinen emotionalen Höhenflug. 13.500 ekstatische Zuschauer in der Halle, bis zu zwölf Millionen an den TV-Schirmen - da konnte selbst das zweite späte Ausgleichstor binnen 26 Stunden die Euphorie im deutschen Lager nicht trüben. "Irgendwann werden wir uns belohnen", versicherte Prokop: "Das ist glasklar."

Bei manch einem wurden nach der besten Turnierleistung sogar schon Erinnerungen an die legendären Bad Boys wach, die bei der EM 2016 unter dem damaligen Bundestrainer Dagur Sigurdsson sensationell den Titel geholt hatten. "Ich kann mich nur an 2016 erinnern, dass wir mit der ganzen Mannschaft so als Team aufgetreten sind", sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning: "Damals hat man das Kribbeln gespürt, und dieses Gefühl hat man nun erstmals in der Halle gehabt. Das macht mich sehr glücklich."

Wolff und Co. wollen aber lieber ihre eigene Geschichte schreiben. "Geist von 2016?", fragte Wolff. Dann fing er an zu Grinsen: "Wir haben den Geist von 2019."

Zum WM-Team zählt ab sofort auch Linkshänder Kai Häfner. Ob der 29 Jahre alte Rückraumspieler, der schon beim EM-Coup nachnominiert worden war, auch tatsächlich in den Kader rückt, ist aber noch offen. Häfner könnte Steffen Weinhold ersetzen, den eine Zerrung im Adduktorenbereich plagt.

"Der Wunsch ist es, mit dieser Mannschaft weiter zu spielen. Aber die Professionalität gebietet es, sich auf alle Fälle vorzubereiten", sagte Hanning. Weinhold dürfte derweil mindestens für das letzte, für den weiteren Turnierverlauf aber wohl unbedeutende Vorrundenspiel gegen Serbien ausfallen. Auch sonst, das kündigte Co-Trainer Alexander Haase am Mittwoch an, werden die Spielanteile gegen Serbien stärker verteilt.

Keeper Wolff warnte aber davor, die Partie auf die leichte Schulter zu nehmen. "Wenn wir jetzt den Fehler machen und abschalten, laufen wir Gefahr, dass wir den Spannungsbogen nicht wieder hinbekommen", sagte der Torhüter. Man müsse das Spiel als "Vorbereitung für die Aufgaben in der Hauptrunde sehen".

Quelle: SID

Foto: Klahn