30.01.2024  Handball Europameisterschaft

„Deutlich näher an der Weltspitze“ – Deutschland EM-Vierter, Frankreich auf dem Podium

Die deutsche Mannschaft verpasst Bronze und die direkte Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris, Frankreich feiert das vierte EM-Gold nach einem dramatischen Finale: Die EM ging am Sonntag in Köln mit einem Feuerwerk zu Ende – und das nicht nur vom Dach der wieder einmal ausverkauften LANXESS arena.

Vor 19.750 Fans scheiterte die deutsche Mannschaft zu oft am überragenden schwedischen Torwart Andreas Palicka. Der frühere Profi des THW Kiel und der Rhein-Neckar Löwen sicherte den Skandinaviern den 34:31 (18:11)-Sieg, die Bronzemedaille und damit verbunden auch das Olympiaticket. Wie schon bei der Heim-WM 2019 beendete die DHB-Auswahl das Turnier auf Rang vier, nachdem sie das Halbfinale gegen Dänemark trotz der besten Turnierleistung mit 26:29 verloren hatte. Der Weltmeister verlor dann am Sonntag das Gigantenduell im Finale mit 31:34 nach Verlängerung gegen Olympiasieger Frankreich. Mit über einer Million Fans war die EM 2024 das bestbesuchte Handballturnier aller Zeiten.

Rang vier ist für Bundestrainer Alfred Gislason dennoch ein Erfolg – und ein Perspektive für die Zukunft: „Wir haben gesehen, dass in der Breite und Erfahrung diese drei Nationen nicht ohne Grund vor uns sind. Ich bin trotzdem unglaublich stolz auf die Jungs. Im Bronzefinale waren beispielsweise sechs Spieler dabei, die Jahrgang 2000 und jünger sind und die haben nicht so viel Erfahrung wie Schweden oder die anderen Nationen. Trotzdem haben wir uns super geschlagen. Wenn man gegen diese Nationen bestehen will, dann darf man nicht so eine erste Halbzeit spielen mit Fehlwürfen und technischen Fehlern. Wir haben eben noch nicht die Breite wie diese Mannschaften, sind aber deutlich näher an sie herangerückt.“

Bei Rückraumspieler Julian Köster überwog erst einmal der Frust: „Wir sind gerade alle sehr enttäuscht. Wir wollten uns unbedingt mit einem Sieg von unseren Fans verabschieden und die Halle mit einer Medaille verlassen. Leider hat das nicht geklappt. Ich denke, dass wir dann aber in den nächsten Wochen auch realisieren werde, dass wir es in das Halbfinale der Europameisterschaft geschafft haben. Die Stimmung in Düsseldorf, Berlin und ganz besonders hier in Köln war unglaublich. Wir haben eine junge Truppe, die nun ihre ersten Turnier-Erfahrungen gemacht hat, da können wir auf jeden Fall drauf aufbauen.“

Mit dem Halbfinaleinzug hatte die deutsche Mannschaft sich das direkte Ticket für die WM 2025 in Dänemark, Norwegen und Kroatien gesichert. Das nächste große Ziel ist nun Olympia in Paris, um unter den fünf Ringen dabei zu sein, muss die DHB-Auswahl mindestens Zweiter beim Qualifikationsturnier vom 14. bis 17. März werden. Gegner sind dann Kroatien, Österreich und Algerien. Wo das Turnier ausgetragen wird – Deutschland hatte sich als Ausrichter beworben – gibt der Weltverband IHF am Donnerstag bekannt. In Andreas Wolff (Tor) und Juri Knorr (Rückraum Mitte) stellte Deutschland zwei Allstar-Team-Spieler, weitere HBL-Profis im Allstar-Team waren die Dänen Magnus Saugstrup und Mathias Gidsel. Der Berliner wurde gemeinsam mit dem Portugiesen Martim Costa EM-Torschützenkönig (je 54 Treffer).

Ein HBL-Profi war indes am Sonntagabend überglücklich: Samir Bellahcene, der im Herbst zum THW Kiel gewechselt. Der Torwart hatte entscheidenden Anteil am vierten EM-Gold der Franzosen nach 2006, 2010 und 2014. „Es ist verrückt. Alles ging zu schnell, vor sechs Monaten habe ich noch nicht einmal in der Champions League gespielt und jetzt ist der erste Titel, den ich gewinne, der erste Titel in meiner Karriere. Ich wusste, dass ich gegen Dänemark keine 20 Paraden machen würde, aber ich habe versucht, konzentriert zu bleiben. Ich denke, meine Parade gegen Mikkel Hansens Wurf in der Verlängerung war ein Wendepunkt“, sagt Bellahcene nach einem historischen Finale, das an Spannung und Intensität kaum zu überbieten war.

Und einer konnte den Triumpf kaum fassen: der frühere Kieler Nikola Karabatic, der an allen vier französischen Erfolgen beteiligt war. „Mit dieser Mannschaft einen Titel zu gewinnen, mit Jungs, die noch nie zuvor Gold gewonnen haben, ist fantastisch. Ich bin stolz auf das, was wir im gesamten Turnier gezeigt haben, und ich denke, wir haben unsere Trophäe verdient. Es ist einfach pure Magie, diese Momente zu erleben“, sagte Karabatic, der seine elfte Goldmedaille bei einem großen Turnier feierte und nach Olympia in Paris seine Karriere beenden wird.

Dänemarks Trainer Nikolaj Jacobsen war hingegen enttäuscht und niedergeschlagen – wie bei der EM 2014 und bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio hatte seine Mannschaft gegen Frankreich ein Endspiel verloren: „Ich mag keine Silbermedaillen. Wir haben unsere Chancen nicht genutzt, und deshalb sitzen wir jetzt hier und sind wirklich enttäuscht.“ Beste Werfer im Endspiel waren Ludovic Fabregas mit acht Toren für Frankreich sowie Mikkel Hansen mit neun sowie Mathias Gidsel mit sieben Treffern bei Dänemark. Als MVP der Europameisterschaft wurde der Franzose Nedim Remili ausgezeichnet.

Am kommenden Wochenende stehen viele EM-Helden wieder auf der Platte – und nach Köln ist dann vor Köln: in den Viertelfinals des DHB-Pokals am Samstag und Sonntag geht es um die vier Tickets für das REWE Final4 am 13./14. April, das zum zweiten Mal in der LANXESS arena über die Bühne geht.

Das Finalwochenende in Köln:

Spiel um Platz 5: Slowenien – Ungarn 22:23 (13:12)

Halbfinals:
HF1: Frankreich -Schweden 34:30 (17:11, 27:27) nach Verlängerung
HF2: Dänemark – Deutschland 29:26 (12:14):
Spiel um Platz 3: Deutschland – Schweden 31:34 (12:18)
Finale: Frankreich – Dänemark 33:31 (14:14, 27:27) nach Verlängerung

Das EM-Allstar-Team:
Torhüter: Andreas Wolff (Deutschland)
Linksaußen: Hampus Wanne (Schweden)
Rückraum links: Martim Costa (Portugal)
Rückraum Mitte: Juri Knorr (Deutschland)
Rückraum rechts: Mathias Gidsel (Dänemark)
Rechtsaußen: Robert Weber (Österreich)
Kreis: Ludovic Fabregas (Frankreich)
Bester Abwehrspieler: Magnus Saugstrup (Dänemark)

MVP: Nedim Remili (Frankreich)
Torschützenkönige: Martim Costa (Portugal) und Mathias Gidsel (Dänemark) – je 54 Tore

Die Olympiaqualifikationsturniere (14.- 17. März):

Turnier 1: Spanien (WM-Dritter), Slowenien (WM-Zehnter), Bahrain (Asien), Brasilien (Panamerika)

Turnier 2: Deutschland (WM-Fünfter), Kroatien (WM-Neunter), Österreich (Europa 2), Algerien (Afrika 1)

Turnier 3: Norwegen (WM-Sechster), Ungarn (WM-Achter), Portugal (Europa 1), Tunesien (Afrika 2)

Foto: Klahn